Memmendorf statt Berlin-Mitte

Was im Jahr 1998 als Ein-Mann-Unternehmen in einer vormaligen Scheune begann, hat sich zu einer Firmengruppe für Internetmarketing gemausert - mit beinahe 50 Mitarbeitern.

Memmendorf / Chemnitz. Eigentlich ist Memmendorf (ein Ortsteil von Oederan) in der Pampa - "in the middle of nowhere". Meinen die einen. Mit ländlicher Idylle, Ruhe und Einkehr werben die anderen - dazu noch ganz passabel erreichbar. "Wir liegen strategisch gut zwischen Dresden und Chemnitz. Bis zur Autobahn sind es nur 15 Kilometer", sagt Torsten Gneuß. Der 41-Jährige ist neben Jörg Arnold einer der beiden Geschäftsführer der Firma w3work, die Gneuß 1998 im Elternhaus seines Heimatdörfchens gegründet hat.

Dass es sich dabei um eine stetig wachsende Internet-, Marketing- und Designagentur handelt, gar ein Pionierunternehmen der Branche, erwartet hier indes niemand. Was als konventionelle Webseiten-Schmiede für Firmen begann, wurde im Angebot erweitert zu einem Fachbetrieb, der darüber hinaus zum Beispiel Infobriefe (Newsletter) gestaltet, die über das Internet versendet werden, genauso wie Printprodukte - auf Wunsch in einem eigens entworfenen einheitlichen Erscheinungsbild (corporate design).

Da der Bereich E-Mail-Marketing über Jahre hinweg besonders schnell zulegte, gründeten ihn Arnold und Gneuß vor drei Jahren in einer eigenständigen GmbH aus, auch um die Kernkompetenzen der unterschiedlichen Geschäftsfelder weiterzuentwickeln. "W3work bleibt der Spezialist für individuelle Webseiten, gerade für Kunden in der Region", sagt Pressesprecher Markus Haubold im Gespräch. Während knapp 20 Leute nach wie vor in Memmendorf für w3work vorrangig Internetseiten entwerfen - am Standort gibt es noch Wachstumskapazitäten -, hat der Ableger Mailingwork mit bereits etwa 30 Mitarbeitern in der Chemnitzer Schönherrfabrik sein Domizil gefunden. Von hier aus werden Branchengrößen wie der Armaturenhersteller Grohe, die Restaurantkette Nordsee, Messegesellschaften, Hotelketten, die Zugspitzbahn und mit Hawesko einer der größten Weinhändler Europas betreut. Vorrangig kleine und mittelständische Unternehmen aus der Region - vom Nähgarnhersteller Alterfil bis zum Kunsthandwerker Björn Köhler - oder öffentliche Auftraggeber wie die Städte Mittweida, Flöha, Oederan oder Freiberg oder das örtliche Studentenwerk haben währenddessen ihren Internetauftritt von w3work erstellen lassen.

In Reaktion auf die gute Auftragslage der Firmengruppe suchen Gneuß und Arnold händeringend nach Fachkräften - studierten Informatikern und Wirtschaftsinformatikern zum Beispiel oder ausgebildeten Mediengestaltern und Fachinformatikern. "Der Ausbildungshintergrund ist dabei zwar wichtig, entscheidend bleibt jedoch die Einstellung zu unserer Arbeit", sagt Torsten Gneuß über die Kriterien, nach denen neue Mitarbeiter rekrutiert werden. "Das liegt daran, dass nicht jeder, der von der Uni kommt, auch das mitbringt, was wir suchen", ergänzt er. "Interessierte laden wir zur Probearbeit ein, um uns darüber ein Bild zu verschaffen, was sie können", so Gneuß.

Auf der Suche nach Fachkräften ist die Firmengruppe auf allen Kanälen unterwegs: im Internetnetzwerk Xing, auf dem Fachkräfteportal Erzgebirge oder auf www.chemnitz-zieht-an.de. Auch bei Jobmessen wird Flagge gezeigt, auf Facebook sowieso - kurz: überall da, wo die junge Truppe, die im Durchschnitt etwa 31 Jahre alt ist und zu einem Drittel aus Frauen besteht, neue Leute ansprechen kann. Nicht zu vergessen: die Mundpropaganda.

Geworben wird mit all dem, womit auch die Großen der Branche in Kalifornien, Hamburg oder Berlin punkten wollen: mit flachen Hierarchien, flexiblen Arbeitszeiten, einem kooperativen Führungsstil - und Kompromissbereitschaft gegenüber den Anliegen der Mitarbeiter in vielen Lebenslagen. "Wenn es privat ein Problem gibt, dann besteht vonseiten der Unternehmensleitung stets die Möglichkeit zum Gespräch", sagt Torsten Gneuß, während Markus Haubold besonders die Vorzüge des Memmendorfer Standorts anpreist, der längst vom einstigen Gneußschen Elternhaus in zwei benachbarte, modern herausgeputzte Scheunen umgezogen ist: "Hier kann ich zwar nach der Arbeit meinen Drogeriemarkteinkauf nicht erledigen, aber wir blicken ins Grüne, haben einen Teich gleich gegenüber, falls jemand für eine Runde das Hirn durchlüften möchte" - und einen Grillplatz hinter dem Haus, der im Sommer gern abends genutzt werde.

Längst sei nicht mehr nur das Geld entscheidend, um Mitarbeiter zu werben; talentierte Leute fragten im gleichen Atemzug nach Urlaubstagen, Fortbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten - und wollen Perspektiven schon vor ihrem Ausbildungs- oder Studienabschluss. Deshalb kooperiert die Firmengruppe mit dem Karriereservice von TU Chemnitz und FH Mittweida. Darüber hinaus arbeiten Gneuß und Arnold mit der Dresdener Berufsakademie zusammen, wo sie an der Ausbildung von Studenten der Informationstechnik und Medieninformatik mitwirken. Auch Abschlussarbeiten werden betreut, Praktikanten seien stets willkommen.

"Nur wenn es den Mitarbeitern gut geht, liefern sie ordentliche Produkte und Dienstleistungen", lautet Gneuß' Credo. Das beschauliche Memmendorfer Umfeld hat es dabei nicht nur dem bekennenden Familienmenschen angetan, sondern auch vielen seiner Mitarbeiter.

Quelle: Freie Presse am 09.04.2015 (Michael Kunze)