Die Gunst der Stunde

12.11.2020

Am nördlichsten Zipfel des Erzgebirgskreises, unweit der Pfaffenhainer Länge und des Verkehrsflugplatzes Jahnsdorf, agiert ein Unternehmen gegen den Trend. „Andere lagern aus. markSTAHL holt sich mehr und mehr Technologie rein.“ Roland Markert, 35 Jahre alt, ist der Chef. Vor mir steht ein junger Mann, der viel wagte und viel gewonnen hat. Souverän im Auftreten, smart im Look, voll bei der Sache. Seinem Habitus nach könnte er ein Kapitän sein, dessen innerer Haudegen ab und zu aufblitzt. markSTAHL ist sein Schiff, mit dem er in den letzten Jahren enorm Fahrt aufgenommen hat. Er und markSTAHL, das wird schnell klar, verkörpern das „Gedacht. Gemacht.“ der Region. Obwohl zunächst alles in Chemnitz beginnt.


Ein junger Mann und seine Idee

Als Roland Markert 2010 sein Start-up auf die Beine stellt, ist er 26 Jahre jung und damit dem typischen Entrepreneur acht Jahre voraus. Der, so zeigen Statistiken, gründet nämlich erst mit Mitte dreißig. Markert hingegen kann nicht warten; er will an den Markt. Seine Idee ist es, mit Stahlrohren und Profilen zu handeln: klassischer Einkauf und Verkauf. Außer 50.000 € Startkapital benötigt er nicht viel. Einen Schreibtisch, einen Stuhl, einen Computer, ein Telefon – das 15 m2 große Büro ist fix eingerichtet. Die Beschaffung der nötigen Finanzen entpuppt sich hingegen als Thriller. „Wo sind Ihre Sicherheiten?“, fragte die Bank. „Ich bin jung, frisch verheiratet, wohne zur Miete. Meine Eltern? Auch kein finanzielles Polster“, flachst er und erzählt weiter: „Man wiegelte mich ab. Ich hatte fest damit gerechnet, dass ich die Kontokorrentlinie bekomme. Material war eingekauft, es standen hohe Rechnungen aus, die bezahlt werden mussten.“ Sein Vorhaben scheint in diesem Moment zum Scheitern verurteilt zu sein. Doch dann geschieht das Unerwartete. Die Erzgebirgssparkasse klingelt an: Kundenbefragung. Man erkundigt sich, wie zufrieden er sei. Schnell wird sein Gegenüber wortkarg. Hoffnungen schöpft er daraus nicht, Hauptsache, der Unmut ist gesagt. Drei Tage später ruft der Chef des örtlichen Geldinstituts an und sagt: „Wir machen das!“ Danach legt Markert los, trifft sich auf Flughäfen mit potenziellen Lieferanten. Er nutzt deren Zwischenstopps, um seine Ein-Mann-Firma zu präsentieren. „Zum Glück fing ich nicht bei null an. Ich hatte Connections aus meinem vorherigen beruflichen Umfeld. Doch am Ende des Tages bekam ich von Leuten Unterstützung, von denen ich es am wenigsten erwartete.“

Das Start-up besetzt mit seiner konsequenten Ausrichtung auf das Endprodukt und überzeugendem Service eine echte Marktlücke. Dessen Konzept war und ist es, Rohre und Profile in gleichbleibender Qualität, möglichst in Sondergrößen oder mit Sondertoleranzen, zu liefern. „2011 kamen dann Anfragen: ‚Könnt ihr nicht ein Rohr zur Bemusterung anarbeiten? Ein Säge-, Biege- oder Laserteil mitmachen?‘ Ich habe mich umgehört, entsprechende Lohnbearbeiter ausfindig gemacht. Die meisten von ihnen sind spezialisiert auf nur eine Bearbeitung. Das bedeutete, wir schickten viele, viele LKW mit Zigtausend Tonnen Material von A nach B und C. Warum und wie das in seiner Komplexität bei uns funktionierte, war der Zulieferindustrie unverständlich.“ Roland Markert hat den Fahrplan dazu im Kopf. Als seine Firma „mehr und mehr Tonnen“ dreht, gleicht das Risiko mitunter einem Husarenritt. Möglich macht das die schöne neue Arbeitswelt. Fünf Schreibtische, eine stabile Internetverbindung reichen aus, um groß zu denken und zu handeln.

Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.

Das Zitat von Francis Picabia ist das Credo des gebürtigen Bad Schlemaers. Hartnäckig hinterfragt er sich und seine Firma. 2015 steht das schnelle Wachstum zur Diskussion: „Konzentrieren wir uns wieder auf das Wesentliche oder stellen wir uns als komplexer Rohrbearbeiter auf?“ Die Entscheidung fällt zugunsten von Biegen, Schweißen, Lasern, Sägen, Veredeln. Das bedeutet: raus aus Chemnitz, Bauen in Jahnsdorf. Die gute Autobahnanbindung, kurze Arbeitswege und die Nähe zu seinem Wohnort sprechen u. a. für den Standort. Parallel dazu wird an Nischenprodukten, sprich Speziallösungen, getüftelt. Es sind u. a. Halterungsanker für Kabelschächte in Nuklearreaktoren oder rohrähnliche Bauteile für Bohrer, die 4.000 m unter Tage beim Kohleabbau in Australien zum Einsatz kommen.

markSTAHL - Roland Markert

Wilhermsdorfer Straße 27

09387 Jahnsdorf

Fon : 037296 – 9350-

Email : info@markstahl.de

https://www.markstahl.de/

Aktuelle Stellenangebote

Mit dem Umzug ins Würschnitztal erreicht markSTAHL sein nächstes Level. Vom Spatenstich bis zum Zeitpunkt, als der erste LKW in die Halle rollt, vergehen nur 150 Tage. „Von da an wurde allen Mitarbeitern klar, was wir hier täglich machen - und in welchem Ausmaß. Wenn sechs Sattelauflieger à 24 Tonnen nacheinander ihre Ladung löschen, dann ist das eine Hausnummer“, beschreibt Roland Markert den Alles-neu-Effekt. Sämtliche Prozesse, Arbeitsweisen,Strukturen mussten überdacht werden. Von nun an gehört auch das Thema Personal zum Tagesgeschäft. „Wir sind hier in der Hochburg der CNC-Dreher und CNC-Fräser. Wer zu uns kommt, muss Lust haben, sich auszuprobieren, entscheidungsfreudig sein und einen Sinn in seinem Tun sehen wollen.“ markSTAHL lebt davon und honoriert diese Denke z. B. mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, Gesundheitsfürsorge, Kita-Zuschuss, anständiger Bezahlung. „Denn manchmal schlagen wir eine Richtung ein, die nach Monaten korrigiert gehört. Ein ‚Das-warschon- immer-so‘-Ansatz ist dem nicht zuträglich“, so lautet die Erkenntnis der letzten Jahre.

Wer zu uns kommt, muss Lust haben, sich auszuprobieren, entscheidungsfreudig sein und einen Sinn in seinem Tun sehen wollen. 

In solch einer Dynamik hat er ein Patentrezept: miteinander reden. Im Führungskreis, in den Abteilungen, an der Dartscheibe im Pausenraum, vor der Halle von Mann zu Mann. Was ihn triggert, teilt er am Abendbrottisch mit Ehefrau Madlen. Sie ist Vertraute, Kritikerin, Hinterfragerin, Motivatorin – kurz sein Sparringspartner. Die 32-Jährige hat den Blick von außen und innen. Sie steht hinter ihm, wenn er wieder groß denkt, allerhand riskiert und investiert, wie z. B. die Übernahme der Tannenberger Firma METAN im Juli 2019. „Blechbearbeitung und Oberflächenbeschichtung haben uns noch gefehlt. Die Synergien sind jetzt schon enorm“, freut sich einer, der weiß, dass er mit Mitte dreißig einiges erreicht hat. Diese Einstellung will er weitergeben, denn „wir sind eine Region, in der auf hohem Niveau geklagt wird. Was geschafft wurde, wird nicht gesehen. Was fehlt, schon.“

Er appelliert an Zufriedenheit und sozialen Zusammenhalt.

Text: Beatrix Junghans-Gläser

Foto: Georg Ulrich Dostmann