Vierte Generation hat die Hand am Steuer

Dieses Jahr ist für das Transportunternehmen der Familie Drechsler in Bärenstein ein besonderes: Das 40-jährige Bestehen wird gefeiert. Doch die Firmengeschichte reicht viel weiter zurück.

VON ANTJE FLATH

BÄRENSTEIN - Das kleine Familienunternehmen hat sich längst gemausert: 25 Beschäftigte gehören mittlerweile dazu. Der Fuhrpark umfasst 20 Fahrzeuge unterschiedlicher Größen. Senior-Geschäftsführer Werner Drechsler formuliert es anders: "Wir haben uns stabilisiert."

Entgegen allen Unkenrufen. Denn als er 1969 nach 14 Jahren seinen Beruf als Busfahrer beim damaligen Kraftverkehr an den sprichwörtlichen Nagel hing und in den väterlichen Betrieb einstieg, gaben ihm einige der einstigen Kollegen beim Abschied lediglich ein Vierteljahr. Wagte er doch den Schritt in ein Privatunternehmen - und dann noch im Transportgewerbe. "Das entspricht nicht unserer sozialistischen Entwicklungsrichtung", hieß es damals. Doch Werner Drechsler ließ sich davon nicht beirren, übernahm am 1. Juli 1971 die Firma des Vaters.

"Die 20 Jahre in der DDR waren härter als die 20 Jahre nach der Wende."

Werner Drechsler Spediteur

Den Grundstein für das Unternehmen hatte am 28. März 1898 der Großvater Hermann Friedrich Drechsler gelegt, der eigentlich gelernter Tischler war - mit einem Lohnfuhrwerk und zwei Pferden. Damals noch im Ortsteil Kühberg, verrät ein Blick in die Chronik. Am 30. März 1929 kam die gewerbliche Beförderung von Personen und Gütern dazu. Im Zuge dessen wurden ein Kraftomnibus und ein erster Lastwagen angeschafft. Kurze Zeit später allerdings ging der Betrieb in Insolvenz. Grund dafür war eine Bürgschaft, die der Unternehmensgründer für einen seiner Schwiegersöhne übernommen hatte. Der hatte in Annaberg ein Klaviergeschäft eröffnet. Doch schon wenige Tage später übernahm Sohn Max mit nur 21 Jahren den Rest der Konkursmasse und gründete eine bahnamtliche Spedition mit Lohnfuhrwerk, Posthalterei und Kohlehandel. Nach den schwierigen Kriegsjahren begann für das Unternehmen mit der Gründung der DDR ein neuer Abschnitt. "Nur durch gute Beziehungen und einen starken Willen war es möglich, die Firma im Sozialismus auf fünf Lkw zu erweitern", berichtet der heutige Geschäftsführer und schickt hinterher: "Die 20 Jahre in der DDR waren härter als die 20 Jahre nach der Wende."

Mittlerweile steht bei der internationalen Spedition - die Fahrzeuge rollen vor allem in Deutschland sowie in der Schweiz, in Frankreich und Tschechien - die vierte Generation in den Startlöchern. Die Söhne Andreas und Michael leiten zusammen mit ihrem Vater das Unternehmen. Spektakuläre Touren wie nach Sizilien oder Sankt Petersburg, die unmittelbar nach der Wende unternommen wurden, stehen nicht mehr auf dem Plan. Obwohl es nie Probleme gegeben habe - entgegen den vielen abenteuerlichen Geschichten, die erzählt wurden. Für manche Tour "genug Trinkgeld" mitnehmen mussten aber auch die Bärensteiner Fahrer, um über die entsprechenden Grenzen zu kommen. Und an denen gab es manchmal ziemlich lange Wartezeiten, erinnert sich Werner Drechsler. "Das längste waren mal 36 Stunden in Reitzenhain. Da haben wir den Fahrer abgelöst", erzählt er.

Eine der wohl schwierigsten Situationen in der ganzen Zeit: ein schwerer Unfall im Bielefelder Raum. "Da ist einem unserer Autos ein Pkw mit voller Geschwindigkeit entgegen gekommen. Später haben wir von der Polizei erfahren, dass das Absicht war", erinnert sich Werner Drechsler. Dem eigenen Fahrer sei glücklicherweise nichts passiert. Aber die tragischen Bilder hätten ihn lange beschäftigt.

Gern erinnert sich der Seniorchef dagegen daran zurück, dass er nach der Wende zu den Ersten gehörte, die von einer Bank im bayerischen Hof einen Kredit bekamen - über 20.000 Mark. Davon konnten bei einer Versteigerung Fahrzeuge erworben werden. "So konnten wir mithalten", sagt er. Das ist bis heute so geblieben, denn "Arbeit ist genügend vorhanden", meint der erfahrene Unternehmer. Quelle: Freie Presse, Ausgabe Annaberger Zeitung, 05.08.2011