Sachsen stillt deutschen Rohstoffhunger
VON UWE KUHR
FREIBERG - Deutschland ist gestern offiziell einen großen Schritt zur Sicherung seines Rohstoffbedarfs gegangen. Mit der offiziellen Eröffnung des Helmholtz-Instituts für Ressourcentechnologie in Freiberg hat die wissenschaftliche Arbeit vor allem für eine effizientere Gewinnung von Bodenschätzen und deren Verwertung eine neue Qualität erhalten. Mit dem Institut, das mit großem Bahnhof von der Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) eröffnet wurde, schwenkt Deutschland vor allem auf den Kurs ein, Ressourcen allein schon durch deren intelligenteren Einsatz zu schonen.
5,5 Millionen Euro jährlich sind Bund und Freistaat zunächst über fünf Jahre die Finanzierung des Instituts wert, das von nationaler Bedeutung ist. Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und die TU Bergakademie Freiberg kooperieren dabei, um vor allem auf neuen technologischen Wegen den Rohstoffbedarf der deutschen Wirtschaft sichern zu helfen. Aus dem gleichen Grund hatte der Bund bereits 2010 eine Rohstoffagentur gegründet, die direkt Märkte beobachtet und mit Förderländern strategische Partnerschaften anbahnt.
Eine harte Nuss: das Erzgebirge
Wie der Gründungsdirektor des Ressourceninstituts, Jens Gutzmer, erklärte, sollen in Freiberg technische Wege gefunden werden, um auch derzeit nur schwer oder noch nicht nutzbare Bodenschätze ausbeuten zu können. So sei das Erzgebirge nach wie vor reich an Erzvorkommen. "Allerdings sind die Lagerstätten oft so komplex, dass sie mit heutigen Technologien nicht zu nutzen sind", sagte er. Wege zu finden, um diese Rohstoffgemische wirtschaftlich aufzuschließen, sei ein Ziel.
Inzwischen setzen die Forscher auf eine neue Gewinnungstechnologie, um beispielsweise den rasant steigenden Bedarf an Gallium zu sichern, das in der Hochfrequenztechnik vom Handy bis zum Radar, in der Optoelektronik für LED-Leuchtdioden und in der Solarstromerzeugung gebraucht wird. So befinde sich in Aluminiumerzen (Bauxit) Gallium, das bisher kaum zu isolieren sei. "Wenn uns das technisch gelingt, könnte auf einen Schlag der Weltmarktbedarf gedeckt werden", so Gutzmer. Dennoch warnt er vor zu hohen Erwartungen: "Wir können Deutschland nicht seine Rohstoffsorgen nehmen, aber lindern."
Die Forschung konzentriert sich auf eher seltene Metalle, die aus dem Alltagsleben nicht mehr wegzudenken sind. Neben Gallium sind es Indium, ohne das kein Flachbildschirm arbeitet, Germanium für die Halbleiterindustrie und die Gruppe der sogenannten Seltenen Erden, eine Gruppe von 17 Elementen. Sie finden sich in Tablet-PCs und Smartphones im Kleinen und in riesigen Windkraftanlagen im Großen.
Den Start markiert das Institut mit bescheidenen zehn Mitarbeitern, die in fünf Jahren auf maximal 100 aufgestockt werden sollen. Für deren künftiges Domizil nimmt die Stadt Freiberg selbst über drei Millionen Euro in die Hand.
In der Rohstoffforschung geht es besonders darum, die begehrten Stoffe so sparsam wie möglich bei verbesserten Materialeigenschaften zu produzieren und zu nutzen. So soll bereits beim Produktdesign an das spätere Recycling gedacht und entsprechende Technologien entwickelt werden. Metalle können immer wieder verwendet werden, ohne dass sie Ermüdungserscheinungen zeigen. So lohnt es sich, so Gutzmer, sogar kleinste Permanentmagneten zu recyceln, die in nahezu allen elektrischen Haushaltgeräten vorkommen. In ihnen steckt das seltene Neodym, ohne das es kaum leistungsstarke Elektromotoren gibt.
Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) erklärte das hohe Engagement des Freistaats für das Projekt auch damit, dass Sachsen damit "erneut einen entscheidenden Beitrag für die deutsche Wirtschaft leisten kann". Er stellte seitens des Freistaates weitere zwei Millionen Euro für das Gesamtprojekt in Aussicht.
Sächsische Strategie gefordert
Die CDU-Landtagsfraktion sieht in der Entscheidung für Freiberg "ein Bekenntnis für die Kompetenz der wissenschaftlichen Einrichtungen des Campus Sachsen". Die technologiepolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Jana Pinka, forderte den Freistaat auf, endlich eine eigene Rohstoffstrategie zu erarbeiten. "Sie beschränkt sich hoffentlich nicht nur auf die Braunkohle, sondern auch auf die Erschließung anderer einheimischer Rohstoffe." Quelle: Freie Presse, Ausgabe Annaberger Zeitung, 30.08.2011