Firmenchef: Die Großeltern wären stolz

Heute besteht das Oelsnitzer Unternehmen Amco genau 100 Jahre. Geprägt wurde es von drei Generationen der Familie Mäbert.

VON VIOLA HEIDRICH

OELSNITZ - Sein Vater habe einmal gesagt: "Denk' dran, eine Firma muss nicht 100 Jahre alt werden", erinnert sich Mathias Mäbert, Inhaber der Firma Amco. Und nun sei man es irgendwie doch geworden. Gegründet hat das Unternehmen Mathias Mäberts Großvater, Alfred Mäbert, als Textilgeschäft. Heute handelt dessen Enkel mit Papier, Büroartikeln und Schreibwaren.

"Denk' dran, eine Firma muss nicht 100 Jahre alt werden."

Lothar Mäbert

Vater des heutigen Firmeninhabers

Sein Vater wollte ihm wohl den Druck nehmen, sagt Mathias Mäbert. Er habe auch nie vorausgesetzt, dass sein Sohn die Firma einmal übernimmt. 1953 geboren, sei er aber regelrecht "zwischen Lagerregalen und Schreibtischen aufgewachsen", habe sich aber dann aus völlig freien Stücken dafür entschieden, in das Unternehmen einzusteigen.

Und er hält es auch selbst so. Seine Tochter Madlen, gelernte Einzelhandelskauffrau, ist im Mode-Geschäft seiner Frau tätig. Für Mathias Mäbert ist es eher unwahrscheinlich, dass sie einmal sein Unternehmen übernimmt. "Mit Toner und Radiergummis hat sie nicht so viel im Sinn." Man müsse sich in seiner Tätigkeit ja auch wohlfühlen.

Dass ihm der Job immer Freude machte und er das Unternehmen dahin führte, wo es heute steht, verdanke er seinen Eltern, die ihm das entsprechende Handwerkszeug an die Hand gaben. Das bestätigt auch seine Frau, Brigitte Mäbert, die ab 1977 im Unternehmen beschäftigt war: Ihr Schwiegervater sei "ein sehr strenger, aber guter Chef" gewesen. Sie habe ihn lieben und schätzen gelernt. "Wir haben ja zusammen gewohnt, gearbeitet und gelebt. Das ist nicht immer einfach, hat aber auch im familiären Bereich immer gut geklappt." Schwiegermutter Elsbeth Mäbert wird mit ihren 91 Jahren zur heutigen Jubiläumsfeier dabei sein.

100 Jahre Unternehmensgeschichte, das heißt auch zwei Weltkriege und eine politische Wende - was nicht spurlos am Unternehmen vorüberging. Während der Großvater mit den Folgen des Ersten Weltkrieges - das erste Geschäft wurde durch eine Bombe völlig zerstört - und der Weltwirtschaftskrise zu kämpfen hatte, bestand die Herausforderung für seinen Vater im DDR-System. "Als Privatbetrieb stand man immer hintendran, die volkseigenen hatten immer Vorrang", sagt Mathias Mäbert. Trotzdem erwarb sich Amco den Ruf, Dinge zu haben, die es woanders nicht gab.

Manchmal waren da auch ein wenig Unverfrorenheit und Ausdauer vonnöten, um ans Ziel zu kommen. Mathias Mäbert erinnert sich an die Zeit, als Ende der 1970er-Jahre die Elektronische Datenverarbeitung (EDV) Einzug hielt. Er war nach abgeschlossenem Abendstudium im elterlichen Betrieb tätig und zuständig für Logistik, Fuhrpark, Ersatzteile und EDV. Als die Generation der kleinen Bürocomputer kam, sei es ein Kunststück gewesen, an die nötigen Erfassungsgeräte zu kommen. Mäbert wusste, wo diese hergestellt wurden, packte drei Kartons Damenstrümpfe ins Auto und fuhr in das Werk nach Thüringen. "Ich bin da rein und habe gesagt, dass ich 100 Paar Damenstrümpfe dabei habe und die Firma nicht ohne die Geräte verlasse", erzählt er. Anderthalb Tage habe es gedauert, eine Nacht im Auto inklusive, dann hatte er die beiden Teile und fuhr wieder Richtung Erzgebirge ...

Eine turbulente Zeit war die nach der politischen Wende. Jeder wollte Westware, das DDR-Warenlager wurde zu Billigstpreisen verschleudert, erzählt Mäbert. Und es gab manches Übernahmeangebot. Mäberts entschieden sich für die Selbstständigkeit. Am Rande: Mancher Interessent von damals existiert heute nicht mehr. Später wurde mit Papier, Büroartikeln und Schreibwaren ein zweites Standbein aufgebaut, das heute das alleinige ist. Mathias Mäbert ist sich sicher: Würden die Großeltern die aktuelle Entwicklung von Amco kennen, sie wären stolz, dass es nicht umsonst war, das Gewerbe trotz aller Not und Sorgen aufrechterhalten zu haben. Quelle: Freie Presse, Ausgabe Stollberger Zeitung, 11.05.2011