Der "kleene Frenzel" ist jetzt der Größte

Mit 22 Jahren Weltmeister in der Nordischen Kombination: Für Eric Frenzel ging am legendären Holmenkollen in Oslo ein Traum in Erfüllung.

VON THOMAS PRENZEL

OSLO - Mindestens noch einmal so aufregend wurde es für Eric Frenzel nach seinem fantastischen Start-Ziel-Sieg: Als er in der Königsloge eintraf, fragte ihn Norwegens Monarch Harald V., wie es denn so gewesen sei, bei dichtem Nebel und Schneefall ganz allein 10 Kilometer lang vornweg zu laufen. Der Erzgebirger überlegte kurz: "Und dann habe ich ihm gesagt, dass es nicht so schlimm war und ich versucht habe, mein eigenes Rennen durchzuziehen."

Und wie er das tat: 13:25 Uhr lief er an den jubelnden Zuschauermassen vorbei, dann reckte er seine Arme in die Höhe, blickte kurz in Richtung Himmel, von dem nichts zu sehen war - und dachte in jenem unfassbaren Moment an gar nichts, wie er wenig später zugab: "Ich habe das einfach nur genossen. Zuvor auf der Zielgeraden ist mein Herz aber schon gehüpft."

Gold für den schmächtigen Zweikämpfer vom WSC Oberwiesenthal - und das an diesem historischen Ort, dort wo die Wiege des Skisports steht. Sein Glück konnte der junge Familienvater kaum fassen: "Weltmeister - das klingt sehr gut. Bisher war ja das Kürzel Junior davor. Jetzt habe ich es auch bei den Großen geschafft", meinte der 1,76 große Musterathlet. Noch vor zwei, drei Jahren wurde das 60-Kilo-Leichtgewicht am Fichtelberg nur "der kleene Frenzel" genannt. Jetzt ist er der Größte in der ursprünglichen Königsdisziplin des nordischen Skisports. Und der Thüringer Tino Edelmann wie schon 2009 in Liberec Vize. Beide sind sie kurioserweise in Annaberg-Buchholz geboren - und nun ausgezogen, um am legendären Holmenkollen Geschichte zu schreiben.

Dritter Schanzenrekord

Auf der Schanze legte Frenzel den Grundstein mit einem Riesensatz auf 109,5 Meter. Im Telemark versuchte der aus Geyer stammende Zweikämpfer trotz der grenzwertigen Weite zu landen. Sein Strauchler bei der Ausfahrt kostete ihn ein paar Punkte Abzug. Es war sein dritter Schanzenrekord nach Kuusamo und Chaux Neuve in diesem Winter, auch in Lahti hält er die Bestmarke. Dass Frenzels Flug kein Ende nehmen wollte, hatte er hartnäckigen Skitests beim Sprungtraining Anfang Februar an gleicher Stätte sowie kurz vor der WM in Oberstdorf zu verdanken. So nahm er seine Ski , die er bisher nur auf der Großschanze benutzte, auch auf der kleinen Anlage. Aufgrund des dort geringeren Luftwiderstandes reagieren die Bretter träger nach dem Absprung. "Es ist deshalb schwieriger, die Ski an den Körper zu bekommen. Aber unten tragen sie mich dafür weiter. Das Risiko bin ich eingegangen", erzählte der Sportsoldat glückstrahlend.

So nahm er mit respektablem Vorsprung das 10-km-Rennen in Angriff. Die auf dem Papier gefährlichsten Verfolger Jason Lamy Chappuis (0:32 Minuten zurück), Tino Edelmann (0:44), Felix Gottwald (1:12) sowie die Norweger Mikko Kokslien und Magnus Moan (beide 1:22) lagen noch in Reichweite. Und der nach dem Springen einsetzende Schneefall schien die "Flucht nach vorn" zu gefährden. "Dass Felix vom Start weg Gas gibt, war mir klar. Aber ich hatte mir vorgenommen, ruhig zu bleiben, aber schon mit Zug loszulaufen", berichtete Eric Frenzel über die meisterliche Taktik, zu der auch Vize Edelmann beitrug. "Ich habe nie Führungsarbeit geleistet. Das wusste Felix auch, dass ich in Erics Sinne daran kein Interesse hatte", machte Edelmann seinem Namen alle Ehre. Und nicht nur die Taktik fügte sich in das Gold-Mosaik ein. So kommen einem Leichtgewicht wie Frenzel Strecken mit langen Anstiegen besonders zugute.

Skitechniker die wahren Helden

Außerdem besaß er superschnelle Langlaufbretter. "Unsere Skitechniker waren die wahren Helden dieses Wettkampfes", sagte Sprungtrainer Andi Bauer. In Windeseile hatte das fünfköpfige Technikerteam, dem in Oslo auch die Klingenthaler Ralf Adloff und Toni Schlott angehören, auf die Schneeflocken reagiert und die Ski umgewachst. Und so stand letztlich Eric Frenzel nach einem langen, aufregenden Tag am Abend vor Tausenden Menschen auf dem Uni-Platz von Oslo auf dem Siegerpodest und sang die Nationalhymne. Um den Hals baumelte die Goldmedaille. Im Kopf wanderten sicher die Gedanken zu seiner Freundin Laura, seinem Sohn Philipp und zu den traumhaften Eindrücken des Tages. Es waren zweifellos Erlebnisse für die Ewigkeit, der Händedruck von Norwegens König inbegriffen. Auch Kronprinz Haakon und Prinzessin Mette-Marit gratulierten dem Sachsen. "Einfach unglaublich", schüttelte Eric Frenzel immer wieder den Kopf: "Ich kann es gar nicht glauben, dass ich jetzt Weltmeister bin."

Quelle: Freie Presse, Ausgabe Annaberger Zeitung, 28.02.2011