Warum das zänkische Bergvolk voller Herzensmenschen ist

11.04.2023

Ins Erzgebirge nach Geyer ziehen, um einen schönen Lebensabend zu haben – so hieß der Plan von Susanne von Strauch. Wer dabei nur an die ruhige Bank am erzgebirgischen Waldrand denkt, irrt. Zum Teil zumindest. Denn die Natur genoss die heute 63jährige von Anfang an im Erzgebirge. Sie war ein Grund warum Susanne ihrem Mann, einen Ur-Erzgebirger vorschlug, nach gemeinsamen Stationen in Berlin und Bremen in seine Heimat zu ziehen. Doch als die Kirchenmusikerin vor einigen Jahren neu ins Erzgebirge zog, gab sie beruflich noch einmal Vollgas. Sie übernahm als Kantorin die Gemeinden Gelenau, Thum und Jahnsbach und verwirklichte endlich manch lang gehegten Wunsch. Im Interview erzählt sie von ihren ersten Momenten in der neuen Heimat und wie sich das Leben heute hier für sie anfühlt.

Wann hast du dich für das Erzgebirge als Lebensmittelpunkt entschieden und welche Gründe gab es dafür?

Als ich meinen Mann, einen echten Erzgebirger, kennenlernte, sagte er: Ich möchte aus dem Erzgebirge zu dir ziehen. Unsere gemeinsamen Stationen, die folgten, waren Berlin und Bremen. Als schließlich das Rentenalter nahte, schlug ich ihm vor, dass wir ins Erzgebirge ziehen und dort unseren Lebensabend verbringen. Er stimmte gleich zu.

Vor dem Umzug von Bremen ins Erzgebirge lernte ich übrigens extra das Klöppeln . Und zwar nicht auf dem Klöppelsack, wie im Erzgebirge üblich, sondern auf dem Klöppelbrett.

Beschreibe uns doch mal, was sich an deinem Leben durch den Umzug ins Erzgebirge alles verändert hat.

Veränderungen gab es bei mir beruflich und gesundheitlich. Ich konnte in meinem Beruf als Kirchenmusikerin noch einmal richtig gut arbeiten. Die offenen Menschen hier und die Traditionen gefielen mir von Anfang an. Besonders angetan haben es mir die Bergbautraditionen. Ich erinnere mich gern an die vielen schönen Gottesdienste, die ich mit der Bergkapelle Thum mitgestalten durfte. Nun bin ich im Ruhestand und arbeite in Arnsfeld und in Steinbach in den Gemeinden mit den beiden Chören zusammen und das macht mir riesige Freude. Und: Gesundheitlich geht es mir hier wesentlich besser.

Was schätzt du denn hier besonders, was ist hier richtig „gut anders“ als an deinem vorherigen Wohnort?

Ich wohne hier, wo andere Urlaub machen. Wanderungen bergauf und bergab machen mir besonders Spaß. Und die Luft ist hier viel klarer und reiner, als in Bremen, meinem vorherigen Wohnort.

Gibt es Dinge, die du hier vermisst?

Das einzige, und wirklich das Einzige, was ich hier vermisse sind meine Kinder und Enkel, die alle in Bremen und Umgebung hängengeblieben sind. Sie kommen aber sehr oft zu Besuch, weil auch sie inzwischen am Erzgebirge hängen – genau wie mein Mann und ich.


Impressionen von Geyer und Umgebung


Erinnere dich mal bitte an deine ersten Momente hier als Neue im Erzgebirge … gab es vielleicht eine kuriose Situation, die durch die Eigenheiten der Region, der Erzgebirger oder den Dialekt entstand?

Oh ja, ich denke da an meinen ersten Moment mit einer Erzgebirgerin, meiner damals zukünftigen Schwiegermutter: Mein jetziger Mann besuchte mich in Stahnsdorf bei Potsdam, wo ich damals lebte. Seine Mutter machte just zu diesem Zeitpunkt in der Nähe Urlaub. Als ich ihr zum ersten Mal begegnete, sprach sie von den Manneln. Ich schaute sie fragend an, worauf sie erwiderte: „Ja für die Advents- und Weihnachtszeit holen wir im Erzgebirge unsere Manneln vom Buden.“ 

Was stört dich an den Erzgebirgern, die ja auch gern mal als zänkisches Bergvolk beschrieben werden?

Dass ich jetzt im Erzgebirge wohnen darf, finde ich wundervoll. Ich habe es keine Sekunde bereut, hier her gezogen zu sein. Da ich beruflich aber doch mit vielen Menschen zusammenkomme, gibt es doch schon öfter mal Situationen, in denen ich das ein oder andere Mal erfahre, wie zänkisch das Bergvolk doch sein kann. Aber im Grunde ist der Erzgebirger ein Herzensmensch!

Welchen Rat würdest du anderen geben, die auch ins Erzgebirge ziehen möchten?

Für einen Neuanfang hier im Erzgebirge ist es doch von Vorteil, wenn man schon jemanden kennt oder irgendwie Verbindungen hierher hat.

Was gibt dir hier das Gefühl, hier im Leben noch einmal angekommen zu sein und was bedeutet Heimat für dich?

Ich habe hier in kürzester Zeit so viele nette und überaus freundliche Menschen kennengelernt, die mir das Gefühl geben, angenommen zu sein. So bin ich hier in meinem Leben nochmal richtig angekommen. Heimat ist dort, wo man sich wohlfühlt, wo sein Herz hängt.

Wie würdest du das Erzgebirge in einem Satz beschreiben?

Das Erzgebirge ist ein sehr guter Ort, um in seinem Leben glücklich zu sein.


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Welche Träume hast du hier schon verwirklicht oder möchtest du noch verwirklichen?

Berggottesdienste mit eine Bergkapelle mitzugestalten war schon immer mein Traum, den ich mir schon verwirklichen konnte. Ich bin sehr gespannt, was das Leben mir hier im Erzgebirge noch für Überraschungen und schöne Momente bereithält.

Jeder hat ja diesen einen Platz im Leben... hast du hier einen Lieblingsplatz gefunden?

Ich sage es mal mit einem Lied:

Wu de Walder haamlich rauschen,
wu de Haad su rötlich blüht,
mit kan König möcht ich tauschen,
weil do drubn mei Haisel stieht.