Vom Spree-Blick auf den Erzgebirgskamm

28.03.2023

Wie ein Großstadtherz im Erzgebirge Heimat fand.

Berlin-Köpenick versus Grumbach. Größer kann ein Kontrast kaum sein: Großstadt versus Landleben, Seeblick versus Erzgebirgskamm, Spree versus Preßnitz, U-Bahn versus Dampflok, Trubel versus Ruhepol. Gegensätze würden einem sicher noch mehr einfallen. Einzig viel Grün in der Nähe verbindet beide Lebensorte. Petra Leibelt verbrachte ihr halbes Leben in Deutschlands Hauptstadt, bevor sie vor knapp sechs Jahren ins Erzgebirge zog. Der Liebe wegen. Wir haben der 50jährigen mal auf den Zahn gefühlt, wie sich das so mit einem Großstadtherzen am doch recht stillen Erzgebirgskamm lebt.

Wann hast du dich für das Erzgebirge als Lebensmittelpunkt entschieden und welche Gründe gab es dafür?

Mein Mann hat über 10 Jahre in Berlin gearbeitet und so haben wir uns auch kennengelernt. Im Jahr 2016 kehrte er in seinen Heimatort Raschau zurück, weil er seine Mama besser im Alltag unterstützen wollte. Ein Jahr lang führten wir eine Fernbeziehung. Dann aber beschlossen wir, uns hier ein gemeinsames Leben aufzubauen.

Kanntest du das Erzgebirge denn schon gut, bevor du die Entscheidung getroffen hast?

Ja, vor allem aus der Weihnachtszeit , die ich schon früher gern im Erzgebirge verbracht habe.

Berlin – mitten im pulsierenden Stadtleben. Jöhstadt – auf dem Kamm des Erzgebirges inmitten der Natur: Größer kann ein Kontrast doch gar nicht sein, oder?

Wenn man sein ganzes Leben in dieser Multi-Kulti-Stadt voller Trubel verbracht hat, sehnt man sich irgendwann nach Entschleunigung. Diese habe ich hier definitiv gefunden. Ich genieße diese Ruhe unheimlich. Meine Lebensqualität ist viel besser geworden. Auch wenn es natürlich eine Zeit der Gewöhnung gebraucht hat, weil hier die Uhren um einiges langsamer ticken.

Was schätzt du denn hier besonders, was ist hier richtig „gut anders“ als in Berlin?

Ja wie gesagt, vor allem die Ruhe und die Entschleunigung. Auch mein Mann als gebürtiger Erzgebirger ist mein absoluter Ruhepol. Aber ich spüre auch, dass die Menschen hier sorgsamer mit ihrer Umgebung umgehen. In Berlin sieht man an jeder Ecke beispielsweise achtlos Weggeworfenes und Schmierereien an Hauswänden.


Impressionen von Jöhstadt und Umgebung


Aber es gibt doch bestimmt auch etwas, das du vermisst...?

Ich habe all die Jahre in Köpenick gelebt, bin dort geboren und aufgewachsen. Das liegt am südöstlichen Stadtrand von Berlin. Ich hatte dort die Spree und den Müggelsee fast vor der Haustür. Das fehlt mir schon.

Wenn du dich an deine ersten Momente hier als Neue im Erzgebirge erinnerst… gab es so etwas wie einen überraschenden Moment, an den du gerne denkst?

Ich weiß noch, dass ich immer dasselbe gefragt wurde – von neuen Kollegen oder zufälligen Bekannten: Wieso kommt man von dem riesigen Berlin in die „Pampa“? Meine Antwort war stets dieselbe: Darauf kann es nur eine Antwort geben, natürlich der Liebe wegen.

Und na klar gab es und gibt es auch immer viel zu lachen, wenn mir Kollegen oder meine neue Familie erzgebirgischen Dialekt beibringen wollen. Wir Berliner können diese weiche Aussprache einfach nicht imitieren und jeder Versuch klingt für den Erzgebirger sehr lustig.

Was stört dich an den Erzgebirgern, die ja auch gern mal als zänkisches Bergvolk beschrieben werden?

Natürlich gibt es wie überall auch hier Menschen, mit denen man vielleicht nicht so gut kann. Aber bisher war das wirklich die Ausnahme. Ich habe die Erzgebirger von Beginn an als sehr herzlich und mitteilsam erlebt und meine Entscheidung, das Erzgebirge zu meiner Wahlheimat zu machen, nicht bereut.

Welchen Rat würdest du anderen geben, die auch ins Erzgebirge ziehen möchten?

Man sollte sich natürlich offen zeigen für die andere, neue Mentalität, braucht sich aber auch nicht verstellen. Ich habe am Anfang versucht, möglichst Hochdeutsch zu sprechen, um nicht anzuecken. Schnell spürte ich, dass das totaler Quatsch ist. Im Gegenteil, ich habe schon von vielen hier gehört, dass sie den Berliner Dialekt sogar mögen.

Was gibt dir das Gefühl, hier im Leben noch einmal angekommen zu sein und was bedeutet Heimat für dich?

Man sagt ja immer: Zu Hause ist da, wo die Familie und die Freunde sind und das stimmt absolut. Ich habe mich von Anfang an zugehörig gefühlt, bin überall sehr herzlich aufgenommen worden. Und besonders die erzgebirgischen Bräuche, speziell zur Weihnachtszeit, berühren mich sehr. Ich war sehr traurig, dass wegen Corona zwei Jahre lang keine Mettenschicht stattfand, denn diese liebe ich sehr.

Wie würdest du das Erzgebirge in einem Satz beschreiben?

Meine Wahlheimat ist eine der schönsten Regionen Deutschlands. Ich darf wohnen, wo andere Urlaub machen.

Welche Träume hast du hier schon verwirklicht oder möchtest du noch verwirklichen?

Meine größten Träume konnte ich bereits verwirklichen. Ich habe einen wundervollen Mann im Schloss Schwarzenberg geheiratet. Und wir nennen ein schönes altes Haus mit großem Garten unser Eigen und bauen es Stück für Stück nach unseren Wünschen um.


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