In Johanngeorgenstadt wächst man über sich hinaus

21.10.2025

Das Eisenwerk Wittigsthal und wie aus alter Kohle neuer Schweiß wird

Strebsam schlängelt sich die Eisenwerkstraße in Richtung Tschechien. Hier, kurz vor der Grenze, hat ein Unternehmen seinen Sitz, das seit fast vier Jahrhunderten die Region prägt. In all den Zeiten hat sich das Eisenwerk Wittigsthal immer wieder neu erfunden, neu behauptet, an die Bedürfnisse angepasst, Technologien geändert und entwickelt.


Der eiserne Gipfelstürmer

Begann die Fabrikation mit schmiedbarem Eisenguss für Maschinen, Werkzeuge und Hufeisen, erweiterte das Eisenwerk Ende des 19. Jahrhunderts seine Produktpalette um emaillierte gusseiserne Haushaltswaren, Gefäße und Öfen. Zu Zeiten der DDR etablierte sich das Eisenwerk Wittigsthal als wichtigster Hersteller für emaillierte Badeöfen im Ostblock mit bis zu 100.000 Stück pro Jahr. In vielen Haushalten spielte und spielt der Badeofen aus Johanngeorgenstadt eine zentrale Rolle beim wöchentlichen Baderitual. Seit der Privatisierung nach der Wende wurde der Betrieb stetig ausgebaut und modernisiert. In den Folgejahren strukturierte der Unternehmer Winfried Friedrich das Eisenwerk um und formte Wittigsthal zu einem führenden Anbieter für Messgeräte-Stationen und Wasserzählermodule

Eisenwerk Wittigsthal GmbH

Eisenwerkstr. 1

08349 Johanngeorgenstadt

Fon : 03773 / 506-0

Email : info@wittigsthal.de

www.wittigsthal.de

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Die Vision reintragen, die Mitarbeiter motivieren und neue Ideen Schritt für Schritt umsetzen.

Neue Heimat Erzgebirge

Seit Januar 2008 lenken Jochen Browa und seine Frau Heike die Geschicke der Firma. Die beiden führen das Profil in Heizung und Sanitär fort und erweiterten das Spektrum der Eisenwerk Wittigsthal GmbH um neue, innovative Produktfelder im Lüftungs- und Automobilbereich.

„Es war mehr Fügung als freier Wille, was uns nach Johanngeorgenstadt geführt hat“, erinnert sich Jochen Browa. Der diplomierte Maschinenbauer und seine Frau sind über ein Inserat in der F.A.Z. auf die Eisenwerk Wittigsthal GmbH gestoßen. 2007 wurde der Kaufvertrag abgeschlossen. „Ich habe nicht viel beigetragen, nur das gemacht, was ich kann“, lächelt der bekennende Christ. „Die Vision reintragen, die Mitarbeiter motivieren und neue Ideen Schritt für Schritt umsetzen.“

Aktuell beschäftigt das Unternehmen über 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jochen Browa legt großen Wert auf ein menschliches Betriebsklima: „Das, was uns besonders auszeichnet, sind die Menschen, die für uns arbeiten.“

Auf dem weitläufigen Gelände der Eisenwerk Wittigsthal GmbH mischen sich historische Industriegebäude mit modernen Fertigungshallen. Das ganze Areal atmet Geschichte. Der Rundgang führt durch die traditionsreiche Badeofen-Fertigung hin zu den neuen Produktionsstätten für die modernen Haustechnik-Lösungen. Immer mit dabei – Biskuit, die Australian-Shepherd-Hündin, die auch schon mal freundschaftliche Nasenstupser verteilt.

Eines wird deutlich: Hier ist jemand am Werk, der sich für den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt einsetzt. Deshalb sind große Teile der Dachflächen mit Solarmodulen bestückt, eine Pelletheizung und ein Hackschnitzelwerk sind im Einsatz. HeizKühl-Decken sorgen für angenehme Raumtemperaturen.

Jochen Browa liebt die Herausforderungen. Im Business, im Leben und beim Sport. Und er übernimmt Verantwortung. Für die Mitarbeiter, für die Kirchgemeinde, für die Region. Und so ist es für den 51-Jährigen nur folgerichtig, sich weit über das eigene Unternehmen hinaus zu engagieren. „Schließlich wohnen die meisten unserer Mitarbeiter mit ihren Familien in Johanngeorgenstadt oder in der Nähe.“

Unternehmer kommt von etwas unternehmen.

Pläne schmieden und Gipfel bezwingen

Ein Herzensprojekt ist Kraftwerk Erz Block. Hier im alten Kohlekraftwerk bieten seit Sommer 2024 Boulderwände unterschiedliche Herausforderungen für Gipfelstürmer jedes Alters und jedes Leistungsniveaus. Jochen Browa dazu: „Es ist auch mein Ziel, etwas für die Region, für die Menschen vor Ort zu tun. Ich will mich nicht nur um Zahlen kümmern, sondern für Perspektiven sorgen.“

„Je länger ich hier bin, desto schöner wird es für mich.“

Bouldern ist mehr als nur Klettern . Man kann in Absprunghöhe klettern, muss sich deshalb nicht per Seil sichern. Bouldern hat sich längst zum Trendsport gemausert. Die Halle wird sehr gut angenommen. Bei den Mitarbeitern und den Gästen. Bouldern ist eine universelle Sportart, die jeder betreiben kann. Und genau so wird die Boulderhalle jetzt auch angenommen. Von Großeltern mit ihren Enkeln über Familien und Jugendlichen bis zu sportlich sehr Ambitionierten. Schulklassen kommen, aber auch die Leistungssportler aus Oberwiesenthal. Und auch viele Gäste aus anderen Regionen nutzen das Angebot hier im Wittigsthal.

Jochen Browa setzt sich ein für die Verbesserung der Strukturen vor Ort. Und diese Anstrengungen kommen auch dem Tourismus zugute. Browas Pläne reichen weit. Ein großes touristisches, deutsch-tschechisches Zentrum schwebt ihm vor mit doppelter, grenzüberschreitender Zipline, einer Kletterhalle und einem Erlebnisgarten. „Und ich wünsche mir“, erklärt er weiter, „dass die Politik es den Unternehmen ermöglicht, sich zu entwickeln. Dann werden sie auch die Region entwickeln. Und so gibt es viele Beispiele im Erzgebirge , wo die Unternehmer, die eigentlich einen Industriebetrieb haben, eben auch die Region weiterentwickeln. Klar, wenn man Geld verdienen kann, investiert man es auch wieder.“

Alte Heimat Erzgebirge

Die Begeisterung des Unternehmers ist ansteckend. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen hinter den Browas, bringen sich ein, engagieren sich. Einer von ihnen ist Sascha Weiß. Sein beruflicher Werdegang ist geprägt von Herausforderungen. „Ich habe zuerst Werkzeugmechaniker gelernt“, erzählt der 36-Jährige. „Doch leider wurden wir 2009 wegen der Krise nicht übernommen.“ Statt sich entmutigen zu lassen, beschließt Sascha Weiß, sein Abitur nachzuholen, um dann Maschinenbau in Zwickau zu studieren. Nach dem Studium arbeitet er als Konstrukteur in einer sicheren Anstellung bei einem großen Konzern. „Und doch habe ich mich dazu entschieden, einen neuen Weg einzuschlagen.“ Weg aus der Region zieht es ihn nie. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen.“ Er orientiert sich neu und findet 2019 ganz in der Nähe seines Wohnortes Antonshöhe eine Position, die wie maßgeschneidert für ihn ist. Als technischer Vertriebsmitarbeiter im Eisenwerk Wittigsthal bildet er die Schnittstelle zwischen Firma und Kunden. „Ich bin jetzt seit fünf Jahren hier und inzwischen wirklich zufrieden“, berichtet er. Dabei habe er gelernt, dass das persönliche Glück nicht allein von äußeren Umständen abhängt, sondern zu einem großen Teil von der eigenen Einstellung. „Früher dachte ich, das Unternehmen müsse mich glücklich machen. Aber mittlerweile sehe ich das anders. Es hängt viel von einem selbst ab.“

Inneres Glück in gutem Umfeld

„Man hat immer Höhen und Tiefen“, gesteht er. Doch er hat gelernt, dass man selbst viel dazu beitragen kann, wie glücklich man im Job und im Leben ist. Diese Einsicht prägt nicht nur seine berufliche Einstellung, sondern auch seine Herangehensweise an Herausforderungen im Alltag. „Es ist wichtig, dass man sich nicht nur darauf verlässt, dass das Umfeld perfekt ist. Man muss auch selbst an seinem Wohlbefinden arbeiten.“

Das überträgt sich auch auf seine Arbeit. „In meiner aktuellen Position sehe ich viele Dinge mit einem anderen Blick. Es gibt immer wieder neue Aufgaben, die spannend sind.“ Vor allem die Mischung aus Produktentwicklung und Vertrieb fasziniert ihn: „Das macht es interessant, weil ich sowohl technisch arbeite als auch im Kundenkontakt tätig bin.“

Neben der Arbeit spielt der Sport eine wichtige Rolle in Sascha Weiß’ Leben. Er ist seit Jahren aktiver Volleyballspieler und betreibt darüber hinaus Ausdauersport. Besonders Hindernisläufe haben es ihm angetan. „Ich mache das jetzt seit drei Jahren – ein echter Ausgleich für mich“, erklärt er. Diese Läufe in der Natur verlangen von den Teilnehmern Ausdauer und Geschicklichkeit. „Es geht dabei nicht um Ruhm oder Ehre. Man misst sich eher mit sich selbst“. Sascha Weiß liebt diese Herausforderung und spielt sogar mit dem Gedanken, seinen ersten Marathon zu laufen – in der Kulturhauptstadt Chemnitz.

Seit die Boulderhalle geöffnet ist, sieht man Sascha Weiß häufig an den Wänden. Die Routen haben unterschiedliche Schwierigkeitsgrade – je nach Tagesform. Und gerade die mit den Überhängen gehen ganz schön in die Arme, Hände und Finger. „Ich finde es wirklich beachtlich, dass unser Chef in Johanngeorgenstadt solch eine Sportstätte errichtet. Wieder ein Baustein mehr, um sich hier noch wohler zu fühlen.“


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Text: Stef fen Wollmerstädt
Fotos: Anna Schalling