Frauen führen anders? Frauen führen anders!

06.11.2025

„Ob da Geschäftsführerin oder Geschäftsführer steht, ist mir gleich. Ich will einfach loslegen“

Im Eingangsbereich der Firma EMES in Amtsberg wird klar: Hier geht es um die Menschen, um das Team. An einem Kabelbaum hängen witzige PolaroidFotos der letzten Firmenfeier, dahinter an der Wand ein großes Foto vom Team, auf dessen Schultern der Firmenschriftzug prangt. Freundlich und fest drückt Mandy Haase, Geschäftsführerin der EMES Kabelbaum Konfektions GmbH, die Hand zur Begrüßung. 


Geschäftsführerin oder Geschäftsführer?

„Ob da Geschäftsführerin oder Geschäftsführer steht, ist mir gleich. Ich will einfach loslegen“, betont Mandy Haase. Denn eins wird schnell klar: Ob Frau, ob Mann oder andere Unterschiede, ihr sind Menschen mit all ihren Stärken und Kompetenzen wichtig.

„Wir beschäftigen bei uns Leute aus vielen Fachrichtungen, auch Quereinsteiger wie Bäcker, Fleischer, Ergotherapeuten.“ Ob Frauen anders führen? Sie bemerkt eher nebenbei ein paar Unterschiede – ja, zu wem eigentlich, zu Männern, anderen Herangehensweisen, anderen Kollegen? Es ist einfach ihr persönlicher Führungsstil, der EMES seit der Gründung 2001 zum Erfolg führte


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Vom Zweifel und jugendlichem Wahnsinn zum Bauchgefühl

„Die ersten fünf Jahre habe ich es immer wieder bereut“, holt sie tief Luft. Ihr Vater war in den 1990er Jahren Mitgeschäftsführer der Kfz-Service- und Handels GmbH, die für die Zweiräder Simson und MZ Kabelbäume herstellte. Ihre Mutter arbeitete als Kabelkonfektionärin mit und Mandy Haase absolvierte hier ihre Lehre zur Industriekauffrau, während Schwester Yvette zunächst Köchin lernte und heute auch bei EMES tätig ist.

Doch ein Großkunde verlagerte die Produktion in andere Länder: Das war das Aus für das erzgebirgische Unternehmen. „Vermutlich lag es an meinem Helfersyndrom und jugendlichen Leichtsinn, dass ich mit 24 Jahren die Firma vor der Insolvenz retten wollte“, sagt sie lachend. Dabei stieß Haase anfangs immer wieder auf Misstrauen: „Ich telefonierte mit der Bank, die mir nicht einmal einen kleinen Kreditrahmen einräumen wollte. ‚Denkst du, das macht Sinn?‘, wurde ich oft gefragt und da sagte ich mir: Jetzt erst recht!“

Mittlerweile ist sie für 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich. Ein Großteil ist langjährig im Unternehmen, das individuelle Kabelbäume, Baugruppen- und Schaltschrankmontage anbietet. Viele von ihnen haben 2014 und 2020 die Firmenerweiterung im Gewerbegebiet im Amtsberger Ortsteil Weißbach mitgestemmt. Mit ihrem Bauchgefühl habe sie das Unternehmen wachsen lassen, sagt die Chefin. Zudem half eine Unternehmensberatung, fachliche Entscheidungen zu treffen. „Aber wenn ein Knoten im Bauch da ist, brauch ich’s nicht machen, auch wenn die Fakten etwas anderes sagen.“

Mit Bauchgefühl auf Wachstumskurs

Jahrelang war Mandy Haase von morgens bis abends im Unternehmen, immer für das Team da. Zuhause war sie als Mutter und Ehefrau genauso gefragt. Ewig wollte sie so nicht weitermachen und nahm an einem Coaching teil: „Es fühlte sich besonders an, mal etwas nur für mich zu machen.“ Haase wollte jemanden, der ihr den Spiegel vorhält und kritisch ist. Heute führt sie mit einer Mischung aus ihren gewachsenen Werten und neu Erlerntem, agiert konkreter, aber emotional offener: „Bei schwierigen Entscheidungen habe ich früher Herzrasen gehabt und eine Woche schlecht geschlafen.

Heute ist mir bewusst, dass ich für 70 Familien verantwortlich bin. Das verlangt sachliche Entscheidungen.“ Sie beteilige weiterhin ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, schließe aber auch unternehmerische Fakten mit ein. Sie mache ungern Ansagen, aber es gehöre dazu. Sie versetze sich in den anderen, achte sehr auf ihre Worte. „Durch die Blume mitten ins Herz“, fasst Haase ihren Stil zusammen, der so wohl eher sozialeren Menschen zugeschrieben wird.

Gleichermaßen lernte die Geschäftsführerin, sich Auszeiten zu nehmen, um den Blick für das große Ganze zu behalten. Morgens trifft man sie jetzt auf ihrem Rudergerät oder dem Laufband, dienstags ab 15 Uhr im Wald beim Nordic Walking, auf einem „Mädelsausflug“ oder mit ihrem Partner im Wohnmobil in Richtung Wasser. „Berge sind nicht so unsers – zumindest im Urlaub“, sagt die Erzgebirgerin. „Eigentlich hätte ich am liebsten eine kleine Kneipe oder würde für Kleingruppen im Wohnzimmer kochen“, träumt sie.

Wie führt man(n)/frau eigentlich?

Das Team – einzigartig und unterschiedlich

Kein Wunder, dass sie für das Jahr 2025 ein Coaching für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter plant: „Jedem soll die eigene Arbeit leichter fallen, indem wir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Team herausarbeiten, um sie noch gezielter einzusetzen.“ So arbeitete ein junger, autistischer Ukrainer bei EMES, erzählt sie: „Er stand jeden Tag nach der Schule hier und hat fokussiert kleinteilige Aufgaben in einer Schnelligkeit und Freude bearbeitet, wie es sonst niemand bei uns so konnte.“ Der Erfolg des Unternehmens hänge von den Mitarbeitern ab, auf deren Schultern symbolisch der Firmenname im Eingangsbereich thront. Ist das nun ein besonderer Führungsstil als Frau, als Mensch oder einfach als Mandy Haase?

Auch in Zukunft solle es allen gutgehen, meint die 48-Jährige: „Ich setze auf Digitalisierung, unterschiedliche Produkte. Mein Sohn wird auch in ein paar Jahren bei EMES einsteigen.“ Und was wird sie später machen? „Ich möchte in Kitas erzgebirgische Geschichten vorlesen, Tradition teilen und Kochkurse geben“, sagt sie und lächelt versonnen.

Das Wir-Gefühl

Mit Weitblick engagiert sich Haase bereits jetzt in der Region. „Mir ist das Wir-Gefühl wichtig, dass Menschen zusammenkommen.“ Mit ihrer Firma hat sie Kitas, Feuerwehren und Sportvereine finanziell unterstützt: „Ich liebe es, zur Weihnachtszeit nach ‚Klein Weißbach‘ zu gehen, eine Miniaturausstellung des Ortsteils“, erklärt die Unterstützerin und sagt mit leuchtenden Augen weiter: „Da kommt mein inneres Kind raus. Ich drücke auf alle Knöpfe, damit es leuchtet, singt oder eine Geschichte erzählt wird.“ Um die Zusammenarbeit im Team an Jugendliche weiterzugeben, bietet EMES Praktika für Schülerinnen und Schüler an. „Manchmal ruf t die Mutti eines Schülers an, um alles zu vereinbaren. Doch ich nehme nur jene, die hier selbstbewusst und persönlich anrufen“, schmunzelt sie mit hochgezogener Augenbraue. Zudem arbeitet EMES mit dem „Wichernhaus“ im 15 Minuten entfernten Waldkirchen zusammen, einer Wohn- und Werkstätteneinrichtung für Menschen mit Behinderung. Einerseits helfe das Abgeben kleinerer Aufgaben ihrem Unternehmen und andererseits hofft Haase, dass sich die Menschen der Einrichtung somit als Teil des Ganzen fühlen.

Tradition und Selbstbewusstsein

„Selbstbewusstsein kommt aus Tradition und Kultur, wenn man eben weiß, wo man herkommt“, erklärt Mandy Haase, „und ich liebe Tradition.“ So kocht sie freitagabends etwas Besonderes, an Weihnachten dekoriert sie die Firma und verschenkt Aufmerksamkeiten. Auch Familiensommerfeste und Teamausflüge bietet sie regelmäßig ebenso an wie die Teilnahme an Firmenläufen mit den Kolleginnen und Kollegen. Wie man ein Teil des Wirs in der Region werden kann, ist für Haase klar: „Man sollte auf keinen Fall ein Weihnachts-Grinch sein“, lacht sie und fügt hinzu, „die erzgebirgische Tradition anerkennen und Wert auf den Zusammenhalt legen.“ Die Menschen vor Ort würden nicht viel reden, seien aber herzlich. Trotz der wenigen Worte könne man sich hier gut aufgehoben fühlen: „Der Erzgebirger sieht, wer du bist.“

Vom Wir zum Ich für alle

Stolz auf das Erreichte zu sein, musste Mandy Haase erst lernen. Während sie früher oft sagte: „Wir als Firma haben dies und jenes geschaffen“, lernte sie mit der Zeit, zu verstehen: „Ich habe das gemacht, um dafür einzustehen, was ich für die Firma, für die Region, die Menschen und mich selbst erreicht habe.“ Vermutlich sollten dies viele Erzgebirger viel öfter sagen dürfen.

Text: Beate Heidenreich
Fotos: Dirk Rückschloss