Welterbe-Gerangel um Bergwerksstandort

Im April soll der Stadtrat Freiberg über die Studie zur Bewerbung der Montanregion Erzgebirge bei der Unesco entscheiden. Projektgruppe und Verwaltung haben sich geeinigt: Bis auf das Objekt "Reiche Zeche".

VON GABRIELE FLEISCHER

FREIBERG - In die Bewerbung der Montanregion Erzgebirge als Unesco-Weltkulturerbe kommt nun offenbar in Freiberg Bewegung in die richtige Richtung. Nach öffentlich gewordenen Diskrepanzen zwischen Projektgruppe und Stadtverwaltung bei der Auswahl der Freiberger Projekte und nicht berücksichtigten städtischen Kommentaren ist die Freiberger Studie in der Endfassung. Baubürgermeister Holger Reuter kündigte an, dass das Papier durch Stellungnahmen von Fachämtern und Betroffenen ergänzt wird. Im April wird darüber im Stadtrat abgestimmt. Zuvor komme die Studie in die Ausschüsse und werde öffentlich ausgelegt.

Die letzte Entscheidung liegt also beim Stadtrat. Das dürfte keine leichte sein. Denn nach wie vor gibt es Streit um ein Objekt auf der Liste: die "Reiche Zeche". Während TU-Rektor Bernd Meyer und Oberbürgermeister Bernd-Erwin Schramm (parteilos) den einstigen Bergbauort wegen Weiterentwicklungen ablehnen, hält die Projektgruppe um Koordinator Helmuth Albrecht daran fest. Unterstützung bekommt die Gruppe dabei von Freibergern, wie Leserbriefe an die "Freie Presse" zeigen. Lange Diskussionen um die Liste sind aber nicht mehr möglich. Bis Ende April muss der Welterbe-Antrag fertig sein und an das sächsische Innenministerium übergeben werden, wo weitere Entscheidungen anstehen. Eine Tatsache, die schon jetzt einigen Stadträten nicht schmeckt. Bereits im November 2011 hatte die Linke-Abgeordnete Jana Pinka die unzureichende Einbeziehung der Räte in die Entscheidungsfindung moniert. Eine mögliche Zeitknappheit könne sie nicht gelten lassen.

Bemüht werden auch Vergleiche der "Reichen Zeche" mit anderen Weltkulturerbe-Objekten. Dazu gehören die Fagus-Werke im niedersächsischen Alfeld. Die sind seit Juni 2011 Welterbe. "Unser denkmalgeschütztes Werk gehört zum Alfelder Industriegebiet", erklärt Karl Schünemann, Leiter der Fagus-Gropius-Ausstellung. Durch die Unesco gebe es im Zusammenhang mit der Produktion keine Einschränkungen. "Wir sind innovativ, entwickeln neue Leistenformen für die Schuhindustrie und fertigen dazu Schuhleistenserien, Mess- und Brandschutzsysteme sowie Keilzinkenanlagen, um Massivholzprodukte herzustellen. Das alles wird zum Teil in der von der Unesco ausgezeichneten Gropius-Fabrik umgesetzt", berichtet Schünemann. Der Zollverein in Essen, ebenfalls Weltkulturerbe, wird mit Umbauten, Erweiterungen und neuen Nutzungen entwickelt.

Nach einem Workshop am Donnerstag steht fest: Die tschechischen Partner wollen bis Ende Januar das grenzüberschreitende Projekt auf ihre Warteliste setzen und nach Paris melden. "Alles hängt nun von der Entscheidung unserer Landesregierung ab", betonte Helmuth Albrecht. Aus dem sächsischen Innenministerium hieß es gestern: Ob die Vorlage zum Projekt am Dienstag auf der Tagesordnung im Kabinett steht, wird am Montag entschieden. Sollte es weitere Verzögerungen geben, müsste Sachsen versuchen, den Bewerbungsplatz mit dem Projekt Naumburger Dom für 2014 zu tauschen. Nötig ist das aber nach Meinung der Projektgruppe nicht. Denn nicht nur die tschechischen Partner hätten ihre Hausaufgaben rechtzeitig erledigt.

Quelle: Freie Presse, Freiberger Zeitung, 21.01.2012