Versilberte Geschichte
Von Hendrik Lasch, Marienberg
Die Montanregion im sächsisch-böhmischen Erzgebirge will UNESCO-Welterbe werden. Die Regierung in Dresden war lange skeptisch. Doch weil 33 Bürgermeister und Landräte ihre Spargroschen zusammen- und allen Streit beilegten, scheint der Widerstand zu schwinden.
Damit die Schätze ans Tageslicht kommen, müssen sich zwei Pferde mühen. Sie trotten im Kreis und setzen eine Mechanik in Bewegung, die sich über ihnen im kegelförmigen Dach des Pferdegöpels dreht. Lange müssen sie nicht arbeiten. Der Förderkorb, den sie aus der alten Grube des Rudolphschachts in Lauta bei Marienberg.
»Alles kommt vom Berge her«, lautet eine alte Redewendung im Marienberg veranlassten, waren ein paar mehr Arbeitsschritte notwendig: Die Erzbrocken, die unter Tage mühsam aus dem Gneis gehauen wurden, mussten zerkleinert, das Metall geschmolzen, verarbeitet und geprägt werden - eine Knochenarbeit, die Bergleute und Metallarbeiter die Gesundheit, wenn nicht das Leben kosten konnte. Am Ende aber stand das süße Leben. Das Silber war Grundlage für höfischen Prunk in Dresden, sorgte aber auch in den Bergstädten für unvergleichlichen Reichtum - etwa in Form reich ausgeschmückter Kirchen.
Diesen Bogen vom Schacht zum Schloss schlägt auch Schneeberg , wo Fördertürme, Halden und Hütten entstanden, man zu Heiligabend die bergmännische Mettenschicht feierte und wo das »Steigerlied« quasi zur inoffiziellen Hymne erkoren wurde.
Der Erzgebirge.«
Erste Früchte der Bewerbung
Lauthals brüsten würden sich die Erzgebirgler dieser Besonderheit nicht; die Bewohner der Region gelten als bodenständig und bescheiden. Ihrer bewusst sind sie sich allerdings sehr wohl. Schon seit Ende der 90er Jahre gibt es Bestrebungen, den Beitrag der Bergbauregion Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH , die das Vorhaben inzwischen professionell vorantreibt und dabei einem straffen Zeitplan folgt. »Im Juni 2014 haben wir den Titel«, sagt Lißke: »Mit einer Absage durch die UNESCO rechne ich nicht mehr.«
Vor allem in den Kommunen ist man angesichts der erwarteten Folgen eines Welterbetitels elektrisiert. »Wir rechnen mit größerer Bekanntheit und mehr Touristen«, sagt Thomas Wittig, der Oberbürgermeister von Erzgebirge entstehe: »Das ist eine Klammer – trotz aller Zwistigkeiten unter dem ›zänkischen Bergvolk‹.«
Doch während viele Erzgebirgler Feuer und Flamme für die Titelbewerbung sind, stellte sich die Landesregierung in Dresden lange quer. Man könne »keine Käseglocke« über das Gebirge stülpen, ätzte mit Scheibenberg bis zur Annaberger Bergkirche oder dem Marienberger Stadtkern.
In Dresden allerdings wollte man die Beschwichtigungen lange nicht hören. Einen der Gründe vermutet Helmuth Albrecht im »Waldschlösschen-Trauma«. Am Waldschlösschen in Dresden wird derzeit eine Brücke über die Elbe gebaut – mitten in dem Abschnitt des Elbtals, der 2004 von der UNESCO mit dem Welterbetitel ausgezeichnet wurde. Wegen der Brücke indes kam es zu einem schweren Streit zwischen der Weltorganisation, der Stadt und dem Freistaat, in dem sich die Staatsregierung durch große Sturköpfigkeit hervortat. Die Folge: 2009 wurde Dresden der Titel wieder aberkannt. Von weiteren Welterbe-Bewerbungen, schien es, hatte man in der Landeshauptstadt genug.
Eine Einladung an Tschechien
Zu den Früchten der langen Bergbautradition gehört freilich, dass die Erzgebirgler wissen, wie sie hartem Stein zu Leibe rücken. Sie trieben die Bewerbung schlicht ohne die Staatsregierung voran, suchten geeignete Denkmale aus, prüften gründlich, ob sie auch künftig in gebührender Distanz etwa zu Neubaustraßen liegen und auch nicht mit dem vielfach wieder auflebenden Helmuth Albrecht. Selbst das nötige Kleingeld für die Bewerbung knapsen die Gemeinden ihren oft mageren Etats ab. 600 000 Euro kostet der Antrag. Damit sich die Kasse füllt, zahlt jede Kommune im Jahr 1000 Euro Grundbetrag sowie weitere 2000 Euro pro gemeldetem Objekt. »Dass sie dafür ihre Spargroschen zusammenkratzen«, sagt Lißke, »hat in Dresden offenbar Eindruck gemacht.«
Anders ist jedenfalls nicht zu erklären, dass in diesem Sommer auch die letzte Widerstandlinie in Dresden aufgegeben wurde und das sächsische Kabinett einer Einladung an Tschechien für eine koordinierte Welterbe-Bewerbung zustimmte. Die sächsische und die böhmische Seite des Erzgebirges seien immer eine gemeinsame Bergbauregion gewesen, betont Albrecht. »Politische Grenzen spielten kaum eine Rolle.« Deshalb sollen neben rund 40 Objekten auf sächsischer Seite auch 17 in Tschechien bei der UNESCO angemeldet werden. Nur so könne die Montanregion in ihrer gesamten Vielfalt dargestellt werden, erklärt der Wissenschaftler: »Die Bewerbung wäre sonst nicht vollständig.« Zudem gibt es für die grenzübergreifende Bewerbung ganz pragmatische Gründe, ergänzt Lißke: »Das erhöht die Chancen bei der UNESCO deutlich.«
Im Erzgebirge als Welterbe – das würde für die ehemalige Bergbauregion fast so viel bedeuten wie ein neuer Silberfund.
Quelle: Neues Deutschland, 30.08.2011