SERIE: MADE IN ERZ - Wärmflasche ist noch nicht ausgekühlt
VON MARIO ULBRICH
GRÜNHAIN-BEIERFELD - Vor 35 Jahren hatte noch jeder Haushalt welche, idealerweise so viele wie es Betten in der Wohnung gab: die Rede ist von Wärmflaschen, bauchigen Kruken aus Zinkblech oder Kupfer, die mit heißem Wasser gefüllt eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen zwischen Matratze und Zudecke gesteckt wurden. Wer dann ins kalte Bett seiner eisigen Schlafstube kroch, musste wenigstens nicht mit den Zähnen klappern. Den Rest der Nacht taten die Behälter als Fußwärmer ihren Dienst, zumindest bis das Wasser im Innern ausgekühlt war.
Elektrische Heizdecken und Zentralheizungen haben die Wärmflasche überflüssig gemacht. Allerdings nicht ganz. In Beierfeld, einem Ort mit langer Blechbearbeitungstradition, werden noch immer welche hergestellt. In diesem Winter sind es zirka 2000 Stück. "Die Aufträge kommen im September und Oktober rein. Dann haben wir ungefähr zwei Monate Zeit, die Wärmflaschen zu produzieren", sagt Thomas Schürer, Geschäftsführer der Metallwarenfabrik Schürer GmbH. Auftraggeber ist ein Großhändler, der einen Teil nach Italien liefert und den Rest in Deutschland verkauft. Ein kleiner Markt für die nostalgischen Bettwärmer ist also noch immer da.
Der Mann, der das vor Jahren erkannt hat, heißt Klaus Friedrich und ist ebenfalls
Beierfelder. Bis Anfang der 1980er-Jahre waren Wärmflaschen im Familienbetrieb der
Friedrichs gefertigt worden, dann lief die Fertigung mangels Nachfrage aus. Anfang der 1990er kurbelte Klaus Friedrich die Produktion wieder an - und hatte Erfolg. Eine Zeit lang wurden bis zu 20.000 Wärmflaschen pro Jahr ausgeliefert. Viele dürften freilich nie ein Bett von innen gesehen, sondern dekorativen Zwecken gedient haben. Trotz stark schrumpfender Absatzzahlen sieht Friedrich das endgültige Aus der Wärmflasche noch nicht als gekommen an. "Es ist noch immer Bedarf da", glaubt er. Und Thomas Schürer denkt ähnlich. Als Friedrich seine Firma im Herbst schloss, übernahm er deren Produktpalette samt des Relikts aus Omas Schlafkammer.
Reichlich die Hälfte ihres Umsatzes macht die Metallwarenfabrik Schürer heute mit der Oberflächenbehandlung von Stanzteilen für die Automobilindustrie. Doch Nischenprodukte wie die Wärmflasche helfen, Arbeitsplätze zu sichern, sagt der Geschäftsführer. Thomas Schürer beschäftigt derzeit 56 Mitarbeiter. Sechs davon hat er aus der Friedrich-Fabrik übernommen. Neben Wärmflaschen fertigen sie auch Backbleche und Kuchenformen für das Sortiment von Discountmärkten wie Netto und Lidl. "Die machen immerhin zehn Prozent unseres Umsatzes aus", erklärt Schürer. "Mit diesem Teil der Produktpalette kann ich fünf Leute beschäftigen."
Auch er besitzt Erfahrung mit nostalgisch anmutenden Blecherzeugnissen. Die Firma, die 1904 von Schürers Urgroßvater gegründet worden ist, stellt bis heute Ofenzubehör her - Kohleschaufeln, Brikettträger, Schürhaken, Kohlenzangen, Aschekästen und Ofenbleche. Wer beim Saubermachen zuhause eine Kehrschaufel aus Blech verwendet, nimmt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Produkt aus der Metallwarenfabrik Schürer in die Hand. Und die bekannten bunten Räucherhäuschen aus buntem Blech sind ebenfalls "made in Beierfeld".
Quelle: Freie Presse, Ausgabe Schwarzenberger Zeitung, 28.01.2011