SERIE: MADE IN ERZ - Kleines Teil birgt viele Möglichkeiten

Das Niederwürschnitzer Familienunternehmen Hörgeräte Ehnert passt als einzige Firma in Sachsen spezielle Im-Ohr-Geräte an

VON VIOLA HEIDRICH

NIEDERWÜRSCHNITZ - Was sich hinter dem Begriff Otoplastik verbirgt, erschließt sich dem Laien nicht sofort. Es handelt sich um ein Ohrpassstück, der Begriff setzt sich aus den griechischen Wörtern otós (Ohr) und plastein (formen, gestalten) zusammen. Es ist also einfach gesagt das Plasteteil, welches das Hörgerät im Ohr fixiert. "Die Otoplastik wird für zwei Drittel aller Hörgeräte benötigt", sagt Lutz Ehnert, Hörgeräteakustiker und Chef des Niederwürschnitzer Familienunternehmens Hörgeräte Ehnert. Dieses stellt Otoplastiken her und hat Kunden in ganz Deutschland - "von Bayern bis Rostock" verwenden Akustiker Niederwürschnitzer Produkte.

Mit fünf Leuten war der heute 52-Jährige im Jahr 1995 mit der Produktion von Otoplastiken und der Reparatur von Hörgeräten gestartet, heute zählt die Firma 20 Mitarbeiter. Fünf von ihnen arbeiten in Labor und Werkstatt, beides befindet sich von Anfang an in Ehnerts Elternhaus an der Lichtensteiner Straße. Hinzugekommen sind inzwischen fünf Geschäfte. Das erste wurde 2001 im gleichen Haus eröffnet, zwischen 2004 und 2010 folgten Filialen in Zwönitz , Zwickau, Scheibenberg , Chemnitz und Plauen. Zur Ausstattung der Geschäfte gehören unter anderem sogenannte Anpasskabinen, in denen dem Kunden dank Multimedia verschiedenste Geräuschsituationen simuliert werden können. Neben Ehefrau Roselind Ehnert, die für die komplette Verwaltung zuständig ist, gehört inzwischen auch Sohn Marcus Ehnert zum Team. Der 25-Jährige absolvierte seine Lehre zum Hörgeräteakustiker in Rostock und beendete im vergangenen Jahr seine Meisterausbildung. Für ein spezielles Produkt, auf das es ein amerikanisches Patent gibt und das sachsenweit bisher nur das Niederwürschnitzer Unternehmen anpasst, haben Vater und Sohn sich in Lehrgängen spezielles anatomisches Wissen aneignen müssen: das Otolens. Bei diesem handelt es sich um ein sogenanntes Im-Ohr-Gerät, das so tief im Ohr steckt, dass man es praktisch nicht mehr sehen kann.

Neben den Otoplastiken für Hörgeräte fertigt die Firma auch individuell angepasste Kopfhörersysteme, Monitoring genannt. "Das ist beispielsweise für Leute gedacht, die beim Joggen Musik aus dem MP3-Player hören wollen", erklärt Lutz Ehnert. Während Standardhörer schnell mal aus dem Ohr fallen können, sind die Otoplastiken speziell angepasst. Gleichzeitig dienen sie der Außengeräuschdämpfung.

Apropos Geräuschdämpfung: Aufgabe der Otoplastiken ist es bei Weitem nicht nur, Hörgeräten zum richtigen Sitz zu verhelfen. Auch für das Gegenteil werden sie verwendet, wenn Geräusche nämlich nicht erwünscht sind. Derartigen individuellen Lärmschutz fertigt das Unternehmen für verschiedenste Gewerke, entsprechende Filter sorgen dafür, dass der Schutz auf bestimmte Lärmspektren abgestimmt ist. So soll ein Schreiner beispielsweise zwar die Säge leiser hören, aber - was in Gefahrensituationen wichtig ist - ansprechbar bleiben, erklärt Lutz Ehnert. "Was die wenigsten wissen", ergänzt Roselind Ehnert: "dass es passgenau angefertigten Schnarchschutz gibt". Dieser werde nach einer individuellen Abformung des Ohres aus besonders weichem Kunststoff gefertigt.

Die Zeiten, da der Kunde sein Hörgerät möglichst "unsichtbar" machen wollte, sind

übrigens längst vorbei. Heutzutage gibt es die Otoplastiken nicht nur in allen möglichen Farben, damit sie zum Haar oder zur Brille passen, sondern auch mit Strass, Glimmer und Glitzer verziert.

 

 

Quelle: Freie Presse, Ausgabe Annaberger Zeitung, 10.02.2011