Sachsen forscht an einem neuen Superwerkstoff

Freiberger Unternehmen und Dresdner Wissenschaftler machen Elektromobilität effektiv und neue Handynetze möglich.

VON UWE KUHR

DRESDEN/ FREIBERG - Sachsen macht seinem Namen als Europas Hochburg der Halbleiterindustrie alle Ehre. Grund sind die von Forschung und Industrie gemeinsam vorangetrieben Entwicklungsarbeiten für das Supermaterial der Zukunft: Galliumnitrid. Der künstlich hergestellte Halbleiter scheint alles zu können, wonach derzeit Hightech-Technologien verlangen. Er taugt für Höchstleistungsschaltelemente, die enorm starke Ströme nicht nur vertragen, sondern auch enorm schnell weiterleiten, er ist Spannungswandler, der so verlustarm wie kein zweiter Stoff Energie transportiert, und er verkraftet höchste Frequenzen, so dass der Stoff inzwischen unter anderem für Mobilfunk-Basisstationen als ideales Grundmaterial gilt. Einziger Nachteil dieser grauen bis gelben Substanz von strategischer Bedeutung: Seine Herstellung steckt noch in den Kinderschuhen ebenso die industrielle Nutzung.

Fördergelder von Land und Bund

Das wird sich durch Sachsen rasch ändern. Im Hochtechnologie-Unternehmen Freiberger Compound Materials GmbH (FCM) läuft gerade die Pilotphase für die Gewinnung dieses Stoffs aus. Morgen startet das Forschungslabor Namlab an der TU Dresden mit den Freibergern ein großes Forschungsvorhaben. Möglich machen das auch Fördergelder von Land und Bundeswissenschaftsministerium. Der Freistaat hat in kurzer Zeit rund fünf Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, um Sachsens Führungsplatz in Europas Mikroelektronik zu festigen.

"Wir unterstützen hier ein zukunftsträchtiges und wichtiges Forschungsprojekt", erklärte gestern Wissenschafts- und Technologieministerin Sabine von Schorlemer (parteilos) der "Freien Presse". Sachsen dürfe sich bei der Entwicklung von neuen Materialien nicht in Abhängigkeiten von außereuropäischen Herstellern begeben. Die industrienahe Forschung rund um den Halbleiter Galliumnitrid sei deshalb für den Freistaat von zentraler Bedeutung, sagte sie, zumal sich Forschung sowie Produktentwicklung und -herstellung in Sachsen befinden. Damit würden hier nicht nur die Entwicklungsarbeiten geleistet, sondern auch deren Früchte geerntet. Momentan kostet ein Quadratzentimeter des neuen Stoffes noch mehrere Tausend Euro.

Hightech-Industrie mit im Boot FCM-Forschungschef Berndt Weinert rühmt das neue Material als konkurrenzlos in seinen Eigenschaften, das allerdings "sehr schwer herzustellen ist". Dennoch will sein Unternehmen mit diesem Zukunftsmaterial ein zweites Standbein aufbauen. Mit Galliumnitrid, dessen chemische Formel GaN lautet, eröffneten sich zusätzliche Möglichkeiten in der Optoelektronik, darunter für die Herstellung von blauen und weißen Leuchtdioden (LED), die unter anderem in energiesparenden Lampen zum Einsatz kommen. In Freiberg entstehe derzeit das "GaN-Zentrum Sachsen".

Die Namlab-Forscher in Dresden konzentrieren sich vor allem auf die Anwendungsforschung. Wie Finanzdirektor Alexander Ruf erklärte, gäbe es viel versprechende Ansätze für die Elektromobilität sowie die Behandlung erneuerbarer Energien. Für ihn gibt es keinen Zweifel: "Die Forschung an dem Superwerkstoff ist ein strategisches Thema für Sachsens Halbleiterindustrie." Quelle: Freie Presse, Ausgabe Annaberger Zeitung, 09.11.2011