Hier kauft der Weihnachtsmann

Sterne, Engel, Räuchermännchen : Adventszeit ist Hochsaison im Erzgebirge

Alles kommt vom Berge her" - diese Worte hört man im südlichen Sachsen ständig. Sie gelten auch für viele Weihnachtstraditionen, für die das Bundesland so berühmt ist: Das in den Wäldern des Erzgebirges reichlich vorhandene Holz wurde nicht nur zum Abstützen der Gruben gebraucht, sondern diente den Bergleuten auch als Schnitzmaterial für lange Winterabende. Mit der Sehnsucht nach Licht nach der langen Dunkelheit im Stollen entstanden neben Spielzeug, Räuchermännchen und Nussknackern auch mit Kerzen bestückte Pyramiden und Schwibbögen , die die Fenster anheimelnd erleuchten. Als die Erzvorräte zur Neige gingen, wurde aus der Feierabendbeschäftigung eine Notwendigkeit. Heute ist erzgebirgische Volkskunst weltberühmt - und gehört zur Adventszeit wie Lebkuchen und Lichtersterne. Ein Besuch in sächsischen Dörfern und Städtchen, in denen Weihnachten handgemacht ist.

Adventssterne

Der Brauch, in der Adventszeit einen leuchtenden "Stern von Bethlehem" aufzuhängen, stammt aus der Oberlausitz, darauf wird in Herrnhut, zwischen Görlitz und Zittau gelegen, großer Wert gelegt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erhielten die "Böhmischen Brüder" - Glaubensflüchtlinge, die sich auf den tschechischen Reformator Jan Hus beriefen - hier Asyl. Die Herrnhuter Brüdergemeine, eine evangelische Freikirche, entstand. Während sich die Eltern der weltweiten Missionsarbeit widmeten, waren ihre Kinder in Herrnhuter Internaten untergebracht und bastelten dort Sterne, nachdem Anfang des 19. Jahrhunderts ein Erzieher für ein Schuljubiläum einen Stern aus Papier und Pappe gebaut und ihn mit einer Beleuchtung aufgehängt hatte. Das Sternebasteln wurde dann in den Mathematik- und Geometrieunterricht aufgenommen, um das räumliche Denken zu verbessern und geometrische Körper zu formen und zusammenzusetzen. "Rhombenkub-Oktaeder" lautet der Fachausdruck für die Basis des Adventssterns, an der die 25 Zacken aus Papier befestigt werden - noch heute in stundenlanger Handarbeit.

Wie das "Sterneln" funktioniert, kann man im neuen Besucherzentrum der Manufaktur erleben - und Sterne in verschiedenen Größen, Farben und Materialien auch selbst zusammenbauen. Die größten Sterne der Herrnhuter Manufaktur mit einem Durchmesser von 2,50 Metern schmücken in der Adventszeit den Berliner Dom und das Bundeskanzleramt (www.herrnhuter-sterne.de).

Holzfiguren

In Eppendorf, zwischen Freiberg und Chemnitz, streichelt Björn Köhler über den Wipfel einer gedrechselten Holzpalme. Sie ist Bestandteil einer Weihnachtskrippe, für die der Mittvierziger, Typ John Lennon mit Langhaar und Brille, den Designpreis "Tradition und Form" erhalten hat. Als gelernter Handdrechsler und autodidaktischer Holzkünstler stellt er traditionelle Themen reduziert dar, die Krippen sind schlicht, die Weihnachtsmänner mit ihren roten Nasen originell. 85 Prozent der Arbeit erledigen Köhler und seine 30 Mitarbeiter von Hand. Besonders wichtig ist ihm die Maserung des Holzes, die als Gestaltungselement sichtbar bleibt - wie bei besagter Palme (www.bjoern-koehler.de).

Den Engeln hat sich Günter Reichel in Pobershau verschrieben. Seine großen und kleinen Holzengel mit hohem Wiedererkennungswert gibt es für alle Gelegenheiten - und ein Teufelchen ist auch dabei. Ein Höhepunkt deutscher Holzdrechseltradition sind unangefochten die Elf-Punkte-Engel von "Wendt & Kühn", die noch heute nach den unzähligen Entwürfen der Firmengründerin Grete Wendt (1887-1972) und der Gestalterin Olly Wendt (1896-1991) in Grünhainichen hergestellt werden. Am beliebtesten sind die Orchester-Figuren mit Instrument, doch auch die anderen dicklichen Engelchen im weißen Hemdchen haben ihre Fans. Weltbekannt sind sie seit 1937, als sie bei der Pariser Weltausstellung mit dem Grand Prix und einer Goldmedaille ausgezeichnet wurden. Einen speziellen Grund, warum die blauen oder grünen Flügel ausgerechnet mit elf Punkten verziert sind, gibt es nicht - diese Zahl habe sich irgendwie so ergeben, sagte einst Grete Wendt. 400 verschiedene Figuren sind heute im Sortiment, rund 500 000 Engel werden pro Jahr von 152 Mitarbeitern in Handarbeit gedrechselt, geleimt, in Farbe getaucht und bemalt. Dabei gibt es nur vier Gesichtermalerinnen, die "ihre" mit filigranen Strichen gemalten Engelsgesichter sogar wiedererkennen. Für viele Sammler seien die Figuren eine Herzensangelegenheit, sagt Claudia Baer, geborene Wendt, die gemeinsam mit ihrem Bruder Florian Wendt heute das Familienunternehmen führt. Viele Kunden schreiben schreiben Brief über ihre Liebe zu den dicken Engeln. Wie stark diese Verbundenheit ist, zeigt sich auch daran, dass sie für die Reparatur alter oder kaputter Stücke - dafür gibt es bei Wendt & Kühn eigens eine Abteilung - lieber mehr zahlen, als einfach eine neue Figur zu kaufen. Und Sammler gibt es reichlich: Mehr als 60 000 Abonnenten hat die "Elfpunktepost", die zweimal jährlich über Neuerscheinungen informiert (www.wendt-kuehn.de).

Nicht nur in Deutschland, auch im Ausland sind die Holzfiguren aus Sachsen begehrt: Die USA, Singapur, Japan und Skandinavien sind die größten Märkte für Kunsthandwerk mit dem Markenzeichen "Echt Erzgebirge ". Wer sich selbst einmal im Drechseln und Schnitzen versuchen will: Die Holzspielzeugmacher- und Drechslerschule in Seiffen bietet fünftägige Ferienkurse an (www.erzgebirge.org). Wer weder Zeit noch Talent hat, aber trotzdem etwas "Eigenes" bauen möchte, geht zur Seiffener Volkskunst. Hier bearbeiten Bastelwütige aller Altersgruppen Bausätze für Räuchermännchen, Sterne und Teelichthalter (www.schauwerkstatt.de).

Sammlung historischer Volkskunst 

Am Markt von Annaberg-Buchholz hat im Jahr 2010 die "Manufaktur der Träume" eröffnet. Die 1919 in Sachsen geborene und jetzt in der Schweiz lebende Erika Pohl-Ströher hat Holzspielzeug und andere Preziosen gesammelt - 1500 wertvolle Objekte hat sie im Lauf der Jahre zusammengetragen. Ihre Sammlung erzgebirgischer Volkskunst, die größte im deutschsprachigen Raum, ist auf 1100 Quadratmetern über drei Etagen als Dauerleihgabe angemessen präsentiert: geschnitzte Tiere, Puppenstuben, Pyramiden, Nussknacker und Räuchermännche viele der Exponate stammen aus der Zeit zwischen 1890 und 1930 (www.manufaktur-der-traeume.de).

Pfefferkuchen

Pulsnitz am Rand der Oberlausitz ist die sächsische Pfefferkuchenstadt. Von 1558 stammt das hochherrschaftliche Privileg für Bäcker, auch süßes Brot backen zu dürfen. Während in den anderen deutschen Lebkuchenhochburgen Nürnberg und Aachen die Herstellung weitgehend industrialisiert wurde, hat sich in Pulsnitz das Handwerk erhalten, acht Manufakturen produzieren noch, unter anderem E. C. Groschky, 1825 gegründet und damit eine der ältesten existierenden Pfefferküchlereien im Ort. Am bekanntesten sind die "Spitzen", gefüllt mit Konfitüre und mit Schokolade überzogen. In den Teig für das Weihnachtsgebäck kommen weder Fett noch Milch noch Eier - das garantiert eine lange Haltbarkeit -, dafür Honig und Sirup sowie eine geheime Gewürzmischung (Pfeffer gehört nicht dazu, so viel sei verraten) und als Backtriebmittel Hirschhornsalz. Das alles erfährt man im Pfefferkuchenmuseum am Markt, wo man nach Voranmeldung auch selbst Teig ausstechen, backen, verzieren und verzehren kann. Zu sehen gibt es kunstvolle Pfefferkuchenfiguren und eine Sammlung historischer Blechdosen, man schnuppert an Riechstationen den Duft von Kardamom, Zimt oder Koriander - jenen exotischen Gewürzen, die im Mittelalter schlicht als "Pfeffer" bezeichnet wurden (www.ernst-rietschel.com).

Quelle: Die Welt Online, Rita Schulze, 26.11.2011