Ausbildungsmarkt ist im Umbruch

Nur elf Bewerber des abgeschlossenen Ausbildungsjahres sind noch auf der Suche nach einer Lehrstelle. Im Gegenzug blieben erstmals 168 Ausbildungsplätze unbesetzt - ein Trend, der sich fortsetzen wird.

VON MARTINA BRANDENBURG

ANNABERG-BUCHHOLZ / ZSCHOPAU - Der Ausbildungsmarkt ist im Umbruch. Zum Abschluss des Beratungsjahres Ende September standen elf unversorgten Bewerbern 168 unbesetzte Lehrstellen gegenüber. "Das hatten wir noch nie", bilanzierte gestern der Leiter der Annaberger Arbeitsagentur, Gerhard Rohde. "Und die Schere wird sich weiter öffnen: n den kommenden Jahren wird die nnähernd konstante Bewerberzahl aus einem zunehmenden Angebot wählen können."

Den 1669 Bewerbern - 14 Prozent weniger als im Vorjahr - standen 1632 etriebliche sowie 120 außerbetriebliche Ausbildungsplätze ur Verfügung - 15 Prozent mehr. Dabei verzeichneten die Regionen Annaberg und tollberg sogar ein Überangebot. "Bis Jahresende aben wir für jeden Bewerber ein passendes Angebot gefunden", gab sich Gerhard Rohde überzeugt.

"Betriebe des Erzgebirges haben in diesem Jahr 321 Ausbildungsplätze im Bereich der Metalltechnik besetzt - die meisten im gesamten Kammerbezirk Chemnitz", berichtete Almut Beck, Geschäftsführerin der IHK-Region Erzgebirge , nicht ohne Stolz. "Und das bei sinkenden Bewerberzahlen. Im Vorjahr konnten in der Branche 235 Lehrverträge abgeschlossen werden." Das sei jedoch nicht ohne Zugeständnisse gegangen. "Die Firmen haben mitunter Abstriche an ihren Anforderungen gemacht", legte Almut Beck dar. "Aber auch hier gibt es Grenzen." Nachholbedarf bei der Lehrlingsgewinnung räumte die Geschäftsführerin hingegen im Hotel- und Gaststättenwesen ein.

Auch im Erzgebirge können nicht mehr alle Unternehmen ihre Lehrstellen besetzen. Doch während bei Lidl Schnupperkurse in der

Chefetage angeboten werden, die Erfurter Industrie - und Handelskammer mit einem 1000-Euro-Willkommenspaket Auszubildende nach Thüringen lockt, Lehrlinge in der Reichenbacher Eswegee Vliesstoff GmbH Lehrlinge pro Monat einen Tankgutschein bekommen, halten Firmen der Region von derartigen Lockangeboten offenbar nichts. Die Bauernland Agrar AG, die derzeit insgesamt 21 Land- und Tierwirte, Elektroniker, Mechaniker und Mechatroniker ausbildet, hat auch in diesem Jahr sieben neue Lehrlinge gewonnen. "Wir versuchen das Potenzial der mit uns verbundenen Firmen zu nutzen, beispielsweise den Nachwuchs aus den Familien unserer rund 800 Verpächter zu gewinnen", erläuterte Vorstandsvorsitzender Matthias Espig. "Das gelingt uns bisher recht gut." Da die Zahl der Bewerber - bisher doppelt so viele wie benötigt - gesunken sei, werbe das Unternehmen verstärkt mit dem Tag der offenen Tür sowie auf Ausbildungsmessen.

Bei den Zugangsvoraussetzungen habe der Betrieb bereits Abstriche gemacht. "War uns früher der Gesamtdurchschnitt wichtig, so schauen wir jetzt stärker auf die naturwissenschaftlichen Fächer und die Kopfnoten", erläuterte Matthias Espig. "Mit Hilfe der Lehrbeauftragten, die wir uns seit einigen Jahren leisten und die die Lehrlinge von Anfang an straff an die Hand nimmt, ist auch bei nicht so leistungsstarken Schülern ein erfolgreicher Lehrabschluss möglich."

Weniger Glück hatte in diesem Jahr die Grünperga Papier GmbH. Sie wollte erstmals zwei Papiertechnologen ausbilden, konnte jedoch keinen von sechs Bewerbern gewinnen. "Da machen wir uns schon Gedanken, wie wir den Beruf stärker in den Fokus der Jugendlichen rücken", sagte Geschäftsführer Ulf Ender. Lockangebote wie I-Pods oder Tankgutscheine hält er allerdings für "Schnickschnack": "Das kann letztlich nicht die Motivation sein. Wer eine Lehre beginnt, sollte eine Vision haben." Das Grünhainichener Unternehmen setzt deshalb auf das kürzlich besiegelte Kooperationsprojekt mit der Mittelschule Lengefeld. Schüler ab der siebenten Klasse sollen beispielsweise mit Schülerpraktika gezielt Firmen der Region kennenlernen. "Ich wollte mit 17 auch kein Papiermacher werden, aber ich habe es nicht bereut", erinnert sich Ulf Ender. "Doch dazu müssen die Schüler auch wissen, welche Möglichkeiten sich bieten und die Betriebe einmal besuchen. Wenn es gewünscht wird, schließen wir auch mit den Mittelschulen in Zschopau und Eppendorf Kooperationsvereinbarungen ab." (mit nd) Quelle: Freie Presse, Ausgabe Zschopauer Zeitung, 08.11.2011