Leben wie im Baumstamm

17.07.2025

27 m². Wohnen, Essen, Schlafen, Bad. Was für manche unvorstellbar klingt, ist für andere ein Traum. So wie für Ronny Alber, der sich vor Jahren ins Erzgebirge verliebte und von einem eigenen Häuschen träumte. Aber von einem kleinen, einem ganz kleinen.... Vor zwei Jahren ungefähr begann er damals von Leipzig aus seinen Plänen Gestalt zu geben. Vor wenigen Wochen nun ist Ronny Alber im Erzgebirge angekommen. Der Kaffeeröster verkaufte seinen kleinen Betrieb in der Leipzig, nahm einen fachgleichen Job in der Nähe von Chemnitz an und zog um - ins Tiny House.

Als sein Mini-Haus im späten Frühling diesen Jahres beim Hersteller in Annaberg-Buchholz mit einem Kran auf einen Laster gehoben wurde, war das wohl ein besonderer Moment in seinem Leben. Noch emotionaler war aber wohl der Augenblick, als nur 25 Kilometer weiter, im Amtsberger Ortsteil Schlösschen, das neue Zuhause von Ronny Alber in seinen finalen "Hafen" zog und auf die Fundamente gesetzt wurde. Dort im Ort stieß er mit einer Frage nach einem Grundstück für das Haus auf großes Entgegenkommen.

Mit dem Erzgebirge verbunden fühlt sich der Kafferöster seit Jahren. Dass sein Traum nun wirklich wahr wird, macht ihn glücklich: "Wenn man sein Herz einmal verloren hat, ist da wie ein inneres Band, was einen hinzieht." Was er hier besonders liebt? Die Menschen mit ihrer Willkommenskultur und das Handwerk . In einem Stück erzgebirgischer, solider Handwerkskunst lebt er nun. Dort hat er alles, was er zum Leben braucht bis hin zur Fußbodenheizung und Sitzbadewanne. Eine Wendeltreppe führt zu Bett und Kleiderschrank. Die Stille in der Natur genießen sowie die Region per Rad und zu Fuß erkunden - darauf freut sich Ronny Alber am meisten. Und am meisten schätzt er das gute Gefühl, jetzt angekommen zu sein. 

„Kennst du das Gefühl, wenn um dich herum alles aus Holz ist?“, fragt Ronny Alber, und seine Augen leuchten, als er das sagt. „Leben wie in einem Baumstamm – so stell ich mir das vor. Dieser feuchte Duft nach frischem Holz und Harz, das warme, weiche Licht, und dann diese absolute Stille. Das Holz dämmt alle Geräusche, schirmt von außen alles ab. Kein Lärm. Keine Strahlung. Nur du und die Natur. Das ist für mich Lebensqualität – ein totales Wohlgefühl!“

Damit dieser Traum Wirklichkeit wurde, hat sich Ronny Alber mit den Spezialisten von Reset House zusammengetan. Tatsächlich – so wie in seinem Tiny House muss es sich anfühlen, wenn man in seinem Leben den „Reset“-Knopf drückt. Alles auf Anfang, alles auf neu. Zurück zu den Wurzeln, zurück zur Natur. Umgeben von reinen Naturmaterialien: Die Wände aus Fichte, die Fassade aus unbehandelter Lärche, mit Eigenschaften wie im Wald. Fenster, Türen, Boden, Dach – alles aus massivem Holz. Die Dämmung ist aus Holzwolle. „Ich freue mich, in diesem Raum zu schlafen“, sagt Ronny Alber. „Es ist ein wahrer Gesundbrunnen für mich – vor allem in der herrlichen Umgebung des Erzgebirges.“

Tiny House Erzgebirge aus Burkhardtsdorf und Reset House aus Annaberg-Buchholz/Geyersdorf  heißen die beiden Partner, die sich mit dem Bau von Mini-Häusern bestens auskennen. Ob auf Stelzen, festem Boden oder Rädern: Allen ist gemeinsam, dass viel Wert auf natürliche Materialien gelegt und der Ausbau individuell nach den Wünschen der Kundinnen und Kunden realisiert wird.

Schwalbenschwanz und Bügelsäge

Begeistert hat ihn auch die Verarbeitung des Hauses von Anfang an: Das Tiny House besteht aus fünfzehn Zentimeter breiten Blockbohlen, die Schwalbenschwänze zur Verzinkung an den Seiten sind von Hand gesägt – händischer Abbund nach alter Handwerkstechnik. „Neunzig Balken mit der Bügelsäge so gesägt, dass die Balken sicher miteinander verbunden werden können – das sieht beeindruckend aus“, schwärmt Ronny Alber und fährt mit seinen Fingern sanft über das Holz. Bei der Montage kam keinerlei schweres Gerät zum Einsatz. Alles wurde von Hand aufeinander gebaut.

Ein mobiles Häuschen, das sich jederzeit an deine Lebensumstände anpasst, dazu eine Einrichtung nach eigenen Vorstellungen – das war schon lange mein Wunsch.

Bei einem Urlaub in den Alpen erlebte der Leipziger Kaffeeröster vor einigen Jahren zum ersten Mal das erhebende Gefühl, in einem massiven Vollholzhaus zu schlafen – und spürte die gesundheitsfördernde Wirkung sofort am eigenen Leib: „Das Haus tat mir unglaublich gut. So wollte ich leben.“ Lange suchte der Wahl-Erzgebirger nach einem Hersteller aus der Region – bis er in einem Fernsehbericht auf die Hausbauer von Reset House aufmerksam wurde. Gleich beim ersten Besuch auf dem Firmengelände in der Nähe von Annaberg-Buchholz sprang der Funke über. „Zwischen uns hat sich eine richtige Freundschaft entwickelt“, beschreibt Ronny Alber seine Beziehung zu den Zimmerleuten von Reset House. „Ich mag den Menschenschlag der Erzgebirger – sie haben ihren eigenen Kopf und sagen dir, was Sache ist. Diese Direktheit gefällt mir. Hat man sie einmal für sich gewonnen, sind sie Freunde fürs Leben.“

Sehnsuchtsort für Stadtflüchter

Was ihn am Erzgebirge am meisten reizt? „Die Berge. Der Wald. Die Landschaft . Und die herrlich frische Luft. Ins Erzgebirge zu fahren ist für mich wie nach Hause kommen. Im Erzgebirge spüre ich deutlich mehr Ruhe als in der Großstadt.“

Was macht für ihn den Charme eines Tiny Houses aus? Ronny Alber nennt die Geborgenheit, die das Leben auf engstem Raum mit sich bringt. Den Minimalismus als Gegenentwurf zum schnelllebigen Konsum. „Jedes Möbelstück, jedes Teil, was ich anschaffe, will wohl überlegt sein. Mein Ziel ist es, die nächsten zwanzig bis dreißig Jahre damit auszukommen. Beim langfristigen Einrichten stellt man sich andere Fragen: Brauche ich das? Wie oft werde ich es nutzen? Ist es wirklich notwendig? Ich lege Wert auf Hochwertigkeit, Zeitlosigkeit, gute Stauraumkonzepte und langfristige Nutzbarkeit. Hier habe ich alles, was ich brauche.“ Sogar die Frage nach Dusche oder Badewanne ließ sich mit „beides“ beantworten: Im Nassbereich fand eine kleine Sitzbadewanne mit Duschkopf Platz.

Das Schlafgemach verlegte Ronny Alber nach oben – mit Blick auf die Sterne. Eine schmale Wendeltreppe führt hinauf in den Dachaufsatz. In enger Zusammenarbeit mit den Hausbauern von Reset House wurde aus der Idee Realität.

Hilfe, die Hippies kommen!

Nur eine Hürde trennte Ronny Alber anfangs vom Tiny-House-Glück: ein passendes Grundstück. Die Suche gestaltet sich nicht einfach. Denn für ein Tiny House braucht es keine 500 bis 1000 Quadratmeter, wie die meisten Baugrundstücke angelegt sind. Zweihundert, dreihundert sind genau richtig – „ich will ja nicht ständig Rasen mähen“, sinniert Ronny Alber.

Auch auf kommunaler Seite stehen nicht alle dem Konzept der Tiny Häuser aufgeschlossen gegenüber. In Wolkenstein und Marienberg sind die Entscheider offen für die kleinen Häuschen. „Die meisten haben wohl Angst, dass die Hippies kommen – ich würde sagen: gerne mehr davon“, lacht der Wolkensteiner Bürgermeister Wolfram Liebing, der sich eine Tiny-House-Siedlung im Baugebiet seines Ortes durchaus vorstellen kann. Alternative Wohnformen sind für ihn ein zukunftsweisender Weg. „Uns ist wichtig, dass wir alles hinkriegen“, sagt der unkonventionelle Bürgermeister mit dem markanten Filzhut. „Der Hausbau ist eine Lebensentscheidung. Wir pflegen eine Willkommenskultur für alle, die bei uns wohnen wollen – da hilft es immer, aufeinander zuzugehen.“

Eine Möglichkeit ist es, dass sich mehrere Tiny House Besitzer ein größeres erschlossenes Baugrundstück teilen. Ein Tiny House komplett mit Baugenehmigung anzubieten, so dass alle bürokratischen Hürden bereits geklärt sind – eine schöne Vision, mit der die Tiny House Freunde aus dem Erzgebirge in naher Zukunft Zeichen setzen wollen.

Text: Dr. Sylva-Michèle Sternkopf

Fotos: Anna Werner


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