Erfindergeist seit 100 Jahren – und jetzt das Rad neu erfunden

29.04.2019

Erfolgsgeschichten aus dem Erzgebirge: Innovation aus Tradition

Die Erfindung des Fahrrades liegt einige Jahrzehnte weiter zurück als die Gründung des erzgebirgischen Unternehmens HSK Hugo Stiehl GmbH Kunststoffverarbeitung. Seinen 100jährigen Geburtstag feiert der Familienbetrieb in diesem Jahr – und erfindet dennoch das Fahrrad neu.

Im sprichwörtlichen Sinne unter dem Motto „Innovation aus Tradition“ tun dies die knapp 15.500 produzierenden Unternehmen im Erzgebirge immer wieder aus Neue – als einer der Erfolgsgaranten, mit denen sie weltweit mit innovativen Produkten punkten. Im Crottendorfer Unternehmen rollte aber kürzlich tatsächlich ein neu gedachtes Rad als Prototyp aus der Entwicklungsabteilung.

Hugo Stiehl GmbH Kunststoffverarbeitung

Gerichtsstraße 140

09474 Crottendorf

Fon : +49 (0) 37344 / 763-0

Email : info@hugostiehl.de

http://www.hugostiehl.de/

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Pinke Messbecher, grüne Rührschüsseln, Medikamentenboxen, Teile für Batteriegehäuse, Gartengeräte und Automobile, Rahmen für Malkästen, Sohlen für Skisprungstiefel purzeln aus den Spritzgussmaschinen. Läuft man durch die Produktionshallen der HSK Hugo Stiehl GmbH in Crottendorf, erlebt man Aha-Effekte: „Kenn ich. Hab ich auch zuhause. Ach, hier wird das produziert.“

Und am Rande: ein Fahrrad, das aufgrund seiner außergewöhnlichen Rahmenoptik mit einer skelettösen Hauptstrebe aus Kunststoff zwischen Lenkerstange und Sattel die Blicke auf sich zieht. Wer genau hinschaut, dem fällt an dem Prototypen auf: Darin versteckt sich ein kleiner „smarter Sensor“. Was dieser leistet, erklärt Jens Süß, Projektmanager im Unternehmen: „Dieser Sensor kann mit einer Auswerteinheit gekoppelt werden und so Fehler am Rahmen beispielsweise nach Stürzen auslesen.“ Es geht also um das Thema Sicherheit und darum zu erforschen, inwieweit man die hochmoderne Sensortechnik direkt in Kunststoff einspritzen kann – anstatt wie bisher diese nachträglich am Rad anzubringen. Und im Nebeneffekt macht faserverstärkter Kunststoff ein Rad auch leichter – und stabiler. Nicht umsonst wird diesen innovativen Werkstoffen eine große Zukunft als Schlüsselmaterialien im innovativen Leichtbau zugeschrieben. „Wie die Geschichte mit dem Rad weitergeht, sind wir selbst ein bisschen gespannt“, sagt Jens Süß und verrät, dass möglicherweise eines Tages ein komplettes Rad aus Kunststoff den Zweiradmarkt erobern könnte.

Mit Neugier und Fachkompetenz offen für Neuland

So wie bei dem smarten Rad arbeitet das Team im Familienunternehmen seit Jahren mit der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung an der TU Chemnitz in unterschiedlichsten Forschungs- und Transferprojekten zusammen. Sich immer wieder neu erfinden, mit verändernden Marktbedingungen umgehen, das beherrschte bereits der Firmengründer Robert Hugo Stiehl, der vor genau 100 Jahren in seinem Wohn- und Schlafzimmer das Unternehmen als Kleinkartonagenhersteller gründete.

Schon Hugo Stiehl zeigte den klassischen erzgebirgischen Erfindergeist

Die Geschäftsführer Katrin Viertel und Jürgen Burkert führen heute den Betrieb in vierter und fünfter Generation, der sich ab 1945 mit der Verarbeitung von Kunststoff beschäftigte. „Schon Hugo Stiehl zeigte den klassischen erzgebirgischen Erfindergeist. Er vermischte Sägespäne mit Harzen und produzierte so seine eigene Masse, aus der er erste Teile presste wie Sargfüße und Gehäuseteile. Ganz alltägliche Dinge eben“, schaut Jens Süß in die Historie. Auf genau diese Alltagsgegenstände besann man sich auch nach der Reprivatisierung 1990 und konzentrierte sich von da ab auf die Herstellung von Haushaltswaren.

Manchmal sind die Anfragen von Kunden zunächst so unvorstellbar, dass wir selbst nicht wissen, wohin uns der Weg führt

Offen und neugierig für neue Ideen sein, Neuland gemeinsam mit Kunden betreten, darin liegt das Erfolgsgeheimnis vieler erzgebirgischer Unternehmen. „Manchmal sind die Anfragen von Kunden zunächst so unvorstellbar, dass wir selbst nicht wissen, wohin uns der Weg führt“, erzählt der studierte Produktmanager Kunststofftechnik. Lösungen, wie man beispielsweise den Aufdruck von Messbechern spülmaschinenfest machen kann, sind da noch am nachvollziehbarsten. Doch auch diese müssen mit viel Knowhow entwickelt werden. 220 Mitarbeiter gehören zum Team – vom Konstrukteur und Werkzeugmacher, über den Einrichter, Fräser bis zum Vertriebsmitarbeiter. Denn genau darin liegt die Stärke, weiß Jens Süß: „Wir sehen uns als Dienstleister – von der Idee bis zum fertigen Produkt.“ Um die Abläufe optimal zu gestalten, wird im Drei-Schicht-System gearbeitet – 17 Schichten die Woche. „Man kann in Deutschland in Zukunft nur mit innovativen Ideen überleben – muss branchenübergreifende Kooperationen nutzen“, weiß Süß, der erst kürzlich auf der Messe Intec in Leipzig international über den Tellerrand schaute. Das Erzgebirge sei regional mit seiner Unternehmensdichte, mit der zweithöchsten Industriedichte in Sachsen, sehr gut aufgestellt, um regionale Netzwerke auszuschöpfen.


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