Smartes Recycling à la Erzgebirge: von schonender Ressourcen-Verwendung bis zu technologischer Nachnutzung

Susan Gabler und Johannes Leis vom STFI bei Untersuchungen zum Recycling smarter Textilien.
Susan Gabler und Johannes Leis vom STFI bei Untersuchungen zum Recycling smarter Textilien. / © Sächsischen Textilforschungsinstitut e.V. (STFI)

Im Automobilbau, im Schiffsbau, der Luftfahrtindustrie oder bei Windenergieanlagen – die Materialanforderungen steigen überall stetig. Die Werkstoffe sollen leicht, ressourcenschonend und gleichzeitig hochbelastbar sein. Immer häufiger werden deshalb sogenannte faserverstärkte Kunststoffe (Composites) verwendet. Das sind Kunststoffe, die mit Glas- oder Carbonfasern kombiniert werden und den metallischen Materialien oftmals überlegen sind. Lösungen, wie man diese künftig optimal recyclen kann, sollen nun in einem Forschungsprojekt gefunden werden. TRICYCLE heißt es und ist ein Vorhaben innerhalb des Verbundes Smart Composites Erzgebirge (Smart ERZ), in dem Unternehmen aus dem Erzgebirge gemeinsam mit Wissenschaftlern an tragfähigen Konzepten tüfteln. Bisher gibt es dafür keine Anbieter oder Konzepte am Markt.

Das Projekt TRICYCLE startete vor einem reichlichen Jahr. Um einen Status quo abzubilden, wurden zu Beginn Unternehmen im Erzgebirge nach ihren aktuellen Recyclingkonzepten befragt. Daraus ergaben sich drei Referenzbauteile, die in der erzgebirgischen Wirtschaft Verwendung finden: Automotive und technische Textilien mit applizierter sowie integrierter Zusatzfunktion. Darauf basierend analysiert das Projektteam nun die Herstellungs- und bisherigen Recyclingmethoden und plant praktische Versuche zum Recycling. Auch wenn die Materialien Kunststoff, Metall und Textil einzeln recycelbar sind, kommen Nachhaltigkeitsfragen auf, wenn sie miteinander irreversibel zum Beispiel durch Klebung verbunden werden.

Im Ergebnis von TRICYCLE sollen effektive und maßgeschneiderte Maßnahmen für eine möglichst hochwertige Wiederverwendung entstehen. Und genau über die dafür benötigte Technologiekompetenz verfügen die beteiligten erzgebirgischen Projektpartner durch jahrzehntelange Erfahrung und zahlreiche Innovationen. Doch zum Projektende im August 2023 sollen nicht nur Lösungen für ein nachhaltiges Recycling stehen. Im Zusammenspiel aller acht Beteiligten aus Wirtschaft und Wissenschaft werden zudem die Weichen für ein Recycling Center als Alleinstellungsmerkmal für die Region gestellt, das später als Drehkreuz zwischen regionalen Produktionsunternehmen und dem Recycling fungieren soll. Das „SmartERZ Smart Composites Recycling Center“ soll dem Erzgebirge eine zentrale Kompetenz in diesem Bereich verschaffen, Fachkräfte binden und Kunden aus dem nationalen und internationalen Produktionsumfeld in die Region ziehen.

Textilunternehmer für optimierte Entsorgung

Ein Partnerunternehmen ist die Curt Bauer GmbH im erzgebirgischen Aue-Bad Schlema . Dort produziert man seit über 130 Jahren Heimtextilien, Bekleidungsdamaste und Objekttextilien. Die fünfte Generation des inhabergeführten mittelständischen Familienunternehmens stellt sich der Herausforderung, technische Textilien zu fertigen und arbeitet kontinuierlich an technologischen Innovationen mit Forschungspartnern. Hergestellt werden Textilien für Kraftfahrzeuge, Thermosysteme oder die akustische Dämmung. Gert Bauer, einer der drei Geschäftsführer und Präsident der IHK Regionalkammer Erzgebirge, beschäftigt das Recycling von Abfällen schon länger: „Die Kosten für die Entsorgung derartiger Abfälle sind hoch. Motiviert durch unsere wachsende Produktpalette bei den Technischen Textilien, die perspektivisch auch funktionalisiert werden sollen, müssen wir die optimierte Entsorgung vorantreiben, um weiter in der TechTex-Branche zu wachsen.“ Im Ergebnis sollen effektive und maßgeschneiderte Maßnahmen für eine möglichst hochwertige Wiederverwendung entstehen.

Erzgebirge künftig führender Technologiestandort

Textilien, die elektronisch wärmen, Lichtsignale geben oder sogar Daten übertragen sind Smart Composites. Sie bestehen aus faserverstärkten Werkstoffen, in die zusätzlich Sensoren oder Mikroprozessoren integriert oder auf sie aufgebracht werden. Die Einsatzgebiete dieser intelligenten Verbundwerkstoffe sind vielseitig, der Bedarf wird perspektivisch steigen und damit auch der Abfall eben dieser Stoffe. „Die Wiederverwendung der eingesetzten Ressourcen ist sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht zwingend geboten. Momentan gibt es weder Anlagenbauer noch Dienstleistungsanbieter mit den entsprechenden Kompetenzen zum Recycling von Smart Composites oder Multimaterialverbünden am Markt,“ stellt Johannes Leis, der Verbundkoordinator vom Sächsischen Textilforschungsinstitut e.V. (STFI) in Chemnitz fest. „Doch die angestrebte Transformation des Erzgebirges hin zu einem führenden Entwicklungszentrum und Anbieter von Smart Composites erfordert ebenfalls die Betrachtung und Reduktion des ökologischen Fußabdrucks dieser Technologie über den vollständigen Produktlebenszyklus hinweg,“ führt Johannes Leis weiter aus.

Um geeignete Konzepte und Prozessketten zu entwickeln, wird auf bestehende Technologien und Anlagen aus der Textil- und Kunststofftechnik sowie der Elektrotechnik der Projektbeteiligten zurückgegriffen. Im Projekt TRICYCLE haben sich folgende kompetente Partner zusammengefunden, die ihre speziellen Expertisen in das Recyclingsystem einbringen: das Textilunternehmen Curt Bauer GmbH, die Professur Fabrikplanung und Fabrikbetrieb der TU Chemnitz , das Ingenieurbüro Matthias Weißflog, der Hersteller für Faserverbundbauteile Cotesa GmbH, der Spezialvlieshersteller Norafin Industries (Germany) GmbH, das Recyclingunternehmen Becker Umweltdienste GmbH und die Hörmann Rawema Engineering & Consulting GmbH. Das Projekt TRICYCLE trägt zum Strukturwandel im Erzgebirge bei, in dem es die Region als führenden Hightech-Standort für Smart Composites mit Nachhaltigkeitskonzept voranbringt.

Über „SmartERZ – Smart Composites Erzgebirge“

SmartERZ ist ein Netzwerk von aktuell über 200 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Ziel des Bündnisses ist die Initiierung eines innovationsgetriebenen Strukturwandels in der Wirtschaftsregion Erzgebirge. Der Fokus liegt dabei auf der Funktionalisierung von innovativen Werkstoffverbunden (Composites). Das enorme Innovations- und Wachstumspotential derartiger Materialien nutzt die Region Erzgebirge zur Transformation zum Hightech-Standort. SmartERZ versteht sich als branchen- und unternehmensübergreifendes Technologiecluster, das langfristig regionale Wertschöpfung generiert. Hauptinitiatoren sind die Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH als Konsortialführer und die TU Chemnitz. Das Bündnis wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programmes „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ gefördert.