Im Erzgebirge angekommen: Internationale Fachkräfte verstärken Unternehmen

Um Fachkräfte auch aus dem Nicht-EU-Ausland im Erzgebirge willkommen zu heißen braucht es zuallererst entsprechende politische Rahmenbedingungen. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das aktuell im Entwurf vorliegt, sieht unter anderem vor, deren Zuzug künftig zu erleichtern. Ganz gleich, ob Fachkräfte aus dem EU-Ausland oder aus Drittländern: für eine gelungene, dauerhafte Integration braucht es aber mehr als einen Arbeitsplatz.

Im Erzgebirge ist das Thema Zuwanderung längst angekommen, vor allem in den Köpfen der Unternehmer, die künftig mehr denn je auf Fachkräfte aus anderen Regionen Deutschlands oder dem Ausland angewiesen sind. Das Welcome Center Erzgebirge blickt nach nunmehr zweieinhalb Jahren auf vielfältige Erfahrungen zur Integration von Fachkräften unterschiedlicher Nationalitäten und Lebensumstände. Das Zentrum lud diese Woche Unternehmer und Netzwerkpartner in die PTF Pfüller GmbH & Co. KG nach Stollberg ein, um vor Ort Chancen und Herausforderungen zum Finden und Binden von internationalen Fachkräften zu thematisieren.

Gut gemischt: Erzgebirgische „Urgesteine“ und Zuzügler

Der Besprechungsraum bei der PTF Pfüller GmbH & Co. KG in Stollberg war an diesem Vormittag mehr als gut gefüllt. Die Kenntnis, dass die Sicherung des Fachkräftebedarfs in den nächsten Jahren nur mithilfe einer Zuwanderung von außerhalb funktionieren kann, einte alle im Raum, die auf Einladung des Welcome Centers Erzgebirge gekommen waren. Das Unternehmen Pfüller, das sich seit über 25 Jahren mit der Herstellung komplexer Präzisionsteile am Markt etabliert hat, beschäftigt seit einigen Jahren Zuwanderer u.a. aus Vietnam, Jamaika, der Ukraine – und auch aus Deutschland. Denn auch Fachkräfte aus anderen Regionen Deutschlands brauchen ebenso ihre Chance und Zeit zur Integration im Erzgebirge wie ausländische. „Bei uns funktioniert das bisher wunderbar. Natürlich möchte man, dass sich neue Mitarbeiter schnell an ein Unternehmen gebunden fühlen. Wir beschäftigen am Standort 180 Mitarbeiter. Viele sogenannte Urgesteine sind dabei, die schon zehn Jahre und länger bei uns sind“, beschreibt Geschäftsführer Oliver F. Zintl die Situation. Auf die oft gehörte Skepsis, dass es doch ein Risiko wäre, viel Energie und Zeit in das Einarbeiten von ausländischen Mitarbeitern zu stecken, antwortet er gelassen: „Das kann einem als Unternehmen ganz genauso mit hiesigen Fachkräften passieren. Wie lange er bleibt, weiß ich bei keinem Mitarbeiter. Das liegt sowohl am Unternehmen, als auch am Mitarbeiter.“

Gefragt: Unternehmer mit Mut und Weitblick

„Wir brauchen Unternehmer, die Mut haben und sich für ein paar Wochen auf eine Fachkraft, die noch nicht fließend Deutsch spricht, einzulassen“, appellierte Daniela Bensch in ihrem Vortrag. Die Mitarbeiterin der ZAW Leipzig GmbH, einem Zentrum für Aus- und Weiterbildung der IHK zu Leipzig, berät und begleitet im Alltag ausländische Bewerber hinsichtlich ihrer beruflichen Anerkennung. Sie betonte die Dringlichkeit des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und zeigte prinzipielle Wege für den ersten Schritt in Richtung Integration auf. Oftmals sei es nämlich einerseits trotz Sprachzertifikaten die fehlende Redegewandtheit, andererseits die vielen Papierseiten Bürokratie von Arbeitszeugnissen bis hin zur Datenschutzerklärung, die zum großen Hemmnis im Bewerbungsfahren werden. Deshalb rät sie zum Praxistest, der für sie schon manche Überraschung brachte: „Bei einem Probearbeiten oder Praktikum beispielsweise an einer Maschine zeigt der Bewerber, was er kann und ist in seinem Element. Im Gespräch vorher kann derjenige seine Fertigkeiten sprachlich oftmals nicht formulieren“, so Bensch. Man solle sich als Unternehmer deshalb immer fragen, welche Kernkompetenzen absolut notwendig sind und welche nach und nach erlernbar sind.

Kooperationsangebot mit lettischen Jugendlichen

Alexander Uljanenko, Geschäftsführer einer Lettisch-Deutschen Berufsfachschule in Riga, stellte den Gästen bei der PTF Pfüller GmbH & Co. KG sein Ausbildungskonzept als Chance zur Akquise junger lettischer Fachkräfte vor. Die Berufsfachschule bildet nach dem deutschen Ausbildungsplan aus. Da es in Lettland keine duale Ausbildung gibt, erreichen die dort erworbenen Diplome nur eine teilweise Gleichstellung oder Anerkennung in Deutschland. „Für die volle Anerkennung zum deutschen Abschluss und um die Absolventen für die Arbeit auf dem deutschen Markt in allen Facetten fit zu machen, suche ich für sie Praktikumsplätze in Deutschland“, erklärt Uljanenko. Auch wenn generell an den lettischen Schulen zu 90 Prozent Englisch als Fremdsprache unterrichtet würde, brächten die jungen Leute seiner Schule das Sprachlevel B1 mit.

Willkommenskultur als Bleibe-Argument

Wie wichtig aber auch vielschichtig die Zuwanderung von Fachkräften aus dem In- und Ausland ist, verdeutlichte Christoph Wagner vom Welcome Center Erzgebirge , das eine Dienstleistung der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH ist. Auch wenn das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht wird und erleichterte Bedingungen schafft, bleibt dennoch die Phase des Ankommens ganz entscheidend. „Wie die Zuwanderer hier aufgenommen werden und wie sie sich persönlich wohlfühlen, wird über das langfristige Bleiben entscheiden“, so Christoph Wagner. Das Welcome Center Erzgebirge ist dafür längst als Anlaufstelle und Lotse in der Region für die unterschiedlichsten, individuellen Fälle gewappnet.

Foto: Oliver F. Zintl (links) im Gespräch mit einem zugewanderten Mitarbeiter. Der 29jährige gebürtige Ukrainer ging ursprünglich als Student nach Deutschland, um die deutsche Sprache und damit seine beruflichen Chancen in der Ukraine zu verbessern. 2014 kam er wieder, fasziniert von Land und Leuten, absolvierte ein Freiwilliges Soziales Jahr und begann im Erzgebirge trotz ukrainischem Studienabschluss eine Berufsausbildung von der Pike auf. Auf die Frage nach dem Warum sagt er: „Die Anerkennung des Studienabschlusses war kostspielig.“ Heute ist er Mitarbeiter bei der PTF Pfüller GmbH & Co. KG in Stollberg und in der Freizeit engagiert bei der Freiwilligen Feuerwehr.