"Unzufriedene reden öfter als Zufriedene"

Die Sicht von außen: Was sagt die Forschung über Bemühungen einer Region, sich darzustellen, und welche Fehler lauern dabei?

Wie muss ich eine Region erfolgreich präsentieren? Darüber sprach Jan Oechsner mit Cornelia Zanger, Professorin für Marketing an der TU Chemnitz .

Freie Presse: Wie gut stellt sich das Erzgebirge als Region dar?

Cornelia Zanger: Der Internetauftritt des Erzgebirgskreises etwa hat eine klare, intuitiv nutzbare inhaltliche Struktur, wirkt traditionsverbunden, liefert Informationen. Allerdings müssten die Städte auf der Landkarte anzuklicken gehen und mit den Homepages der Kommunen verlinkt sein. Der Nutzer bekommt aber nur das Erzgebirge auf einer Deutschlandkarte. Auch wird mit zu vielen Logos gearbeitet - etwa beim Übergang zum Regionalmanagement-Portal, weil wieder anderes Logo und anderer Slogan.

Gefällt Ihnen das Logo mit dem Slogan "Gedacht. Gemacht."?

Es ist erkennbar, es erfüllt die Vorgaben an Prägnanz und Einprägsamkeit. Allerdings könnte der angedeutete Berg auch für den Harz stehen.

Und die Botschafter-Idee?

Das Konzept ist gut, aber bekannt. Nur Botschafter benennen, reicht nicht. Diese müssen wissen, wo sie sich befinden, um gut zu werben. Im Osten ist das Erzgebirge eine Marke. Im Westen sind es vor allem Oberwiesenthal und Seiffen. Das ist der Unterschied. Andere Botschafter haben es leichter: Der Schwarzwald etwa ist überall eine etablierte Region.

Was muss eine Region beachten?

Zunächst muss sie sich über ihre eigene Identität klar werden, die "Befindlichkeit" der Bürger in Worte gießen. Wo kommen wir her? Wo möchten wir hin? Was macht die Attraktivität unserer Region für die eigenen Bürger aus und was bestimmt das Interesse von Touristen oder Investoren? Wichtig sind neben Fakten auch Geschichten der Region. Und Menschen, die mit diesen Geschichten verbunden sind.

Glaubwürdigkeit als Trumpf?

Ja. Eine Region sollte den eigenen Bürgern und Gästen nichts vorspielen, was nicht wahr ist. Im Tourismus müssen etwa Sehenswürdigkeiten und Hotels positiv beschrieben werden, aber ohne Übertreibung. Die Forschung weiß: Werden Erwartungen zu hoch aufgebaut und dann nicht erfüllt, folgt Unzufriedenheit. Der Unzufriedene redet darüber häufiger als der Zufriedene.

Wann wird eine Region eine Gemeinschaft?

Das scheint das größte Problem zu sein. Aber man muss auch anerkennen, dass es natürlich ist, dass viele Akteure nun mal unterschiedliche Ziele verfolgen. Konflikte sind programmiert. Denken Sie an den Widerspruch von wirtschaftlicher Erschließung und Landschaftsschutz. Und Sie müssen auch berücksichtigen, dass Sie Wettbewerber - z. B. mehrere Hotels, Restaurants oder Einzelhändler - zu gemeinschaftlichem Handeln bringen müssen. Der Weg zur regionalen Identifikation und einer regionalen Aktionsgemeinschaft führt nach unseren Erfahrungen der Regionalforschung nur über die Bildung eines regionalen Netzwerkes. Die Initiative geht dazu oft von den politischen Verantwortungsträgern aus, wird aber von unabhängigen Dritten moderiert, um die Durchsetzung von Eigeninteresse zu vermeiden.

 

 

Quelle: Freie Presse, Ausgabe Annaberger Zeitung, 28.01.2011