SERIE: SACHSENS HELLE KÖPFE - Leiterplatten aus der gläsernen Fabrik

Udo Bechtloff hat den erzgebirgischen Auftragsfertiger KSG zu einem der führenden Unternehmen der Branche entwickelt. Die Grundlage dafür ist ein ausgefeiltes Logistikkonzept.

VON JAN-DIRK FRANKE

GORNSDORF - Als Udo Bechtloff vor 14 Jahren bei der Gornsdorfer KSG Leiterplatten

GmbH seine Arbeit aufnahm, sorgte der neue Geschäftsführer mit einem Satz bei dem

einen oder anderen vermutlich für Stirnrunzeln. Damals sprach er von der Vision, die KSG

zum führenden deutschen Leiterplattenproduzenten zu entwickeln. 1997 muss das wohl

etwas gewagt geklungen haben. Der Betrieb war drei Jahre zuvor gerade erst privatisiert

und so vor der wahrscheinlichen Schließung bewahrt worden. 120 Mitarbeiter standen in

Lohn und Brot und nur neun Millionen Euro Umsatz zu Buche. Doch für Bechtloff reichte

ein Blick in die Vergangenheit, um mit einer dicken Portion Optimismus in die Zukunft zu

blicken: Zu DDR-Zeiten sei das Gornsdorfer Werk bei der Leiterplattenfertigung führend

im gesamten Ostblock gewesen.  

"Wir sind organisch gewachsen."

Udo Bechtloff Geschäftsführer

Inzwischen ist der Geschäftsführer und Mitgesellschafter dem Ziel beeindruckend nah

gekommen. 2010 hat sich das Unternehmen aus dem Erzgebirgskreis in der Rangliste der größten Leiterplattenhersteller auf Platz drei vorgeschoben, im europäischen Vergleich steht es mit Rang vier nicht viel schlechter da. 60 Millionen Euro Umsatz fuhr die KSG im vorigen Jahr ein, so viel wie nie zuvor. 2008 standen noch 49 Millionen in der Bilanz, ein Jahr später waren es bedingt durch die Wirtschaftskrise nur 39 Millionen Euro. Davon abgesehen ging die Entwicklung kontinuierlich nach oben. "Wir sind organisch gewachsen", resümiert Bechtloff. Davon zeugen nicht zuletzt die knapp 550 Mitarbeiter, die heute beschäftigt sind. Erst vor zwei Jahren hatte die Firma einen 50 Millionen Euro teuren Fertigungskomplex in Betrieb genommen und damit die Produktionsfläche glatt verdoppelt.  

Inzwischen reicht die Technik schon wieder nicht mehr, müssen zusätzliche Maschinen

installiert werden. Gearbeitet wird in rollender Woche und trotzdem "haben wir eigentlich

viel zu lange Lieferzeiten", sagt der Firmenchef. Und das liegt am Erfolg: "Der Zuspruch

unserer Kunden ist größer als wir bedienen können", muss der 60-Jährige eingestehen.

Innerhalb von 20 Tagen soll der Kunde normalerweise die bestellte Ware erhalten. Daran

ist im Moment nicht zu denken. Mithilfe der neuen Technik soll sich das aber wieder

ändern, hofft der promovierte Ingenieur.

Schließlich gehören kurze Lieferzeiten zu Bechtloffs Erfolgsrezept. Eine große Vielfalt, hohe Genauigkeit und Termintreue sind weitere Bestandteile. Ein Konzept, das der Manager von Anfang an verfolgt. Basis des Erfolgs waren weniger technologische Spitzenleistungen, sondern ein ausgefeiltes Logistikkonzept. Bechtloff spricht von einer gläsernen Fabrik. Daran haben wir lange gearbeitet und sind auch stolz darauf", meint er. Immerhin werden an einem Tag über 100 verschiedene Aufträge abgearbeitet.  

Gut zu wissen also, welches Produkt sich wo befindet. Die Schnelligkeit, mit der in

Gornsdorf auf Anfragen reagiert wird, kommt offenbar an. Bechtloff argumentiert: Wenn

die Auftraggeber die Platten schneller erhalten, sind sie mit ihren Produkten auch schneller am Markt.

Mit fast 600 Kunden arbeitet das Unternehmen zusammen, fast alle sitzen in

Westdeutschland, es ist der deutsche Elektronik-Mittelstand, der bei Bechtloff ordert.

Leiterplatten für die Industrieelektronik, die Autoindustrie oder die Medizintechnik werden

in Gornsdorf gefertigt. Für den Automobilzulieferer Bosch ist KSG seit kurzem

Exklusivlieferant für eine Leiterplatte, die "sonst keiner hinbekommen hat". Es handelt sich um eine Platte für ein Abstandsradarsystem, das in Oberklassewagen eingebaut wird. Für Bechtloff ein Meilenstein: "Es ist die anspruchsvollste Leiterplatte, die ich je in den Händen gehabt habe."

Trotzalledem achtet er darauf, dass die Aufträge nicht zu groß werden. Auch das ist Teil

der Philosophie. Denn die KSG ist auf kleine und mittlere Serien spezialisiert. Mit der

Konkurrenz in Billiglohnländern, die unter ständigem Preisdruck große Volumen abdeckt,

will sich Bechtloff nicht messen. Hier ist er konsequent: Als ein Kunde eine Preisreduktion von ihm haben wollte und dafür einen größeren Umsatz versprach, lehnte er konsequent ab. Seine Strategie lautet vielmehr, Europas effizientester Expressfertiger zu werden. Bechtloff jedenfalls ist überaus optimistisch: "Wir sind auf einem guten Weg."

 

 

Quelle: Freie Presse, Ausgabe Annaberger Zeitung, 15.01.2011