Moderne Stickerei in Eibenstock geht neue Wege

„Liebhaber für Plauener Spitze und Stickkunst aus dem Erzgebirge wird es immer geben.“ Hartmut Funke ist sich da sicher. „Nur davon langfristig existieren, das werden wir nicht können.“ Bestimmt und dennoch gelassen gibt der Geschäftsführer der Funke Stickerei GmbH diese Prognose ab. Bereits 1992, als er die Wäschestickerei in Eibenstock übernahm, sei ihm das bewusst gewesen. Deshalb habe er seitdem die über 80-jährige Stickereitradition mit der Moderne des heutigen Lebens verst(r)ickt. Großstickmaschinen und Mehrkopfstickautomaten stehen heute dort, wo vor zwanzig Jahren noch vier Maschinen des Baujahres 1910 vor allem Uniformeffekten bestickten. Doch nicht nur der Maschinenpark hat sich verändert.

 

Denn dem Markt reicht die bloße Schönheit bestickter Kissen, Decken und Läufer längst nicht mehr. Vor allem dann nicht, wenn 80 bis 90 Prozent des Umsatzerlöses über Wäschestickerei und die Fertigung von bestickten Heimtextilien erwirtschaftet werden müssen. „Zuerst haben wir uns die Werbe- und Promotionsindustrie erschlossen“, berichtet Hartmut Funke von T-Shirts, Mützen und diversen anderen Werbeartikeln, die mit Firmennamen und Logos „bestickt“ wurden. Lohnstickerei macht jedoch abhängig von jenen, die dafür die Aufträge geben. „Wir haben das gemerkt, als einige unserer Kunden begannen, ihre Produktion ins vermeintlich billigere Ausland zu verlagern.“ Spätestens als diese die Eibenstocker Stickerei-Technologien hinterfragten, schrillten im Erzgebirge die Alarmglocken. „Einige boten uns sogar an, mit ihnen gemeinsam abzuwandern.“ Hartmut Funke blieb in Eibenstock. Zusammen mit „seinen“ Frauen – sie machen 90 Prozent der Belegschaft aus – besann er sich auf das, was man heutzutage Kernkompetenz nennt: das Sticken. Doch der Markt für Tischwäsche ist eng, Tischwäsche aus Baumwolle schon lange out. Mit einer fleckenabweisenden Tischdecke, die mit Stickereien verziert war, (er)fanden die Eibenstocker ein Produkt, das nur sie in Deutschland verstanden herzustellen. Der Versandhandel begann, wieder Tischwäsche aus Deutschland zu ordern, eben aus Eibenstock. Und ein namhafter Teleshopping-Sender sorgt bis heute für einen „wirklich sehr guten Absatz über den heimischen Fernseher.“ Hartmut Funke zufolge sind die Eibenstocker heute Deutschlands größter Anbieter von Tischwäsche. Sie wollen es bleiben. Bestellungen kommen ebenso aus Japan, den USA, Mexiko, der Schweiz, Österreich, Russland und den Niederlanden.

 

Kurzinterview

 

Die Funke Stickerei GmbH in Eibenstock behauptet sich in einem Markt, den manche längst, vor allem hierzulande, für ausgestorben halten: Stickereiprodukte. Hartmut Funke erklärt, warum er damit erfolgreich ist.

 

Herr Funke, kann man denn mit traditioneller Stickkunst heute noch auf dem Markt Geld verdienen?

 

Selbstverständlich können wir nicht mehr nur die Produkte anbieten, die mein Großvater vor über 100 Jahren hier klassisch hergestellt hat. Nebenbei bemerkt: Moderne Plauener Spitze ist heute längst auch nicht mehr mit Großmutters eingestaubtem Spitzendeckchen auf dem Vertiko zu vergleichen. Wir verbinden unser Können in der Stickerei mit Innovationen, die die Zeit braucht.

 

Was verstehen Sie darunter?

 

Wir haben vor über zehn Jahren begonnen, uns mit neuen Produkten den Markt und Kunden in neuen Branchen zu erschließen. Übrigens schon damals mit Hilfe der Sächsischen Aufbaubank. Wir statten heute zum Beispiel Schulen in ganz Deutschland mit trendiger Schulkleidung aus. Bei der Tischwäsche haben wir uns gefragt, welche Eigenschaften sie heute haben muss, damit der Kunde sie kauft. Mit unserer fleckenabweisenden Tischdecke haben wir die Nachfrage selbst wieder stimuliert.

 

Eine solche Tischdecke gab es aber doch schon in der DDR.

 

Das ist richtig. Diese Tischdecke bestand aber nur aus einem großflächigen farbigen Tuch. Uns ist es gelungen, ebenso Stickereien im Tuch fleckenabweisend zu beschichten. Das ist unser Patent.

 

Ihr einziges Patent?

 

Nein. Wir schauen natürlich, wo wir unsere bestickten Textilien überall einsetzen können. Unsere Innovationen dazu lassen wir uns generell schützen. So haben wir zum Beispiel für einen Kunden Einlegesohlen mit Massageeffekt entwickelt, die wir inzwischen in Serie produzieren. Mit der von uns angewendeten Technologie des Bestickens von Abstandsgewirken können wir zukünftig auch Schonbezüge für die Automobilindustrie herstellen, die Massageeffekte erzielen und stimulierend wirken. Mit unser Kunst, Abstandsgewirke besticken zu können, haben wir die Tür zu einem zukunftsfähigen Markt aufgestoßen. Deswegen kooperieren wir auch mit Forschungseinrichtungen wie dem TiTV Greiz, dem Institut für Spezialtextilien und flexible Materialien, und bringen uns in innovative Programme für den Mittelstand ein, um Know-how für Zukünftiges zu entwickeln. Finanziell werden diese Projekte von Partnern flankiert, in erster Reihe wiederum die SAB, die uns bei der Entwicklung von Innovationen mit Förderprogrammen des Freistaates unterstützt.

 

Und wie steht es um bestickte Kissen, Deckchen und Läufer, die wir von Omas Vertiko her kennen?

 

Diese traditionelle Tischwäsche besticken wir natürlich weiterhin in Eibenstock. Sie hat durchaus noch ihre Liebhaber.

 

Kontakt

Geschäftsführer:

Hartmut Funke

Funke Stickerei GmbH

Weststraße 10

08309 Eibenstock

Tel.: 037752 2078

Fax: 037752 2056

Funke_Stickerei_GmbH@t-online.de

www.funke-stickerei.de Quelle: SAB Förderbereicht 2011