Mannheimerin beschenkt das Erzgebirge

Das Depot der Schweizer Mäzenin Erika Pohl- Ströher ist um eine weitere Sammlung reicher. In fünf Tagen öffnet die Schatzkammer in Gelenau wieder für kurze Zeit.

VON GABI THIEME

GELENAU - Auslöser für alles war der Bernsteinzimmer-Sucher, Bürgermeister und FDP-Bundestagsabgeordnete Heinz-Peter Haustein aus Deutschneudorf im Erzgebirgskreis . Er hatte über Jahre eine beträchtliche Sammlung an Christbaumständern zusammengetragen. Als er eines Tages nicht mehr wusste, wohin damit, überließ er sie Johannes Heyder in Wildenfels. Der kann inzwischen auf 750 Exponate und damit Sachsens größte Ständersammlung verweisen. Heyder wiederum war es, der vor vier Jahren auf Schloss Wildenfels im Landkreis Zwickau eine Ausstellung und ein internationales Sammlertreffen organisierte. Bei der Vorbereitung spürte er auch Heidi Schwarz auf. Die Mannheimerin besitzt 1500 Christbaumständer und damit die wohl größte Sammlung weltweit. 500 hat sie in den vergangenen Wochen aus ihrem Haus in Baden-Württemberg ins Erzgebirge verlagert - als Dauerleihgabe.

Ein einmaliges Sammelsurium

Ihre Sammlung befindet sich jetzt in bester Gesellschaft. Denn sie hat in jenem Depot in Gelenau einen würdigen Platz gefunden, in dem auf mittlerweile 1200 Quadratmeter Fläche bereits andere Kostbarkeiten platziert wurden. Im vergangenen Dezember öffnete es zum ersten Mal für eine begrenzte Zeit seine Pforten für Besucher. Größten Anteil daran, dass hier unter anderem die komplette Leipziger Puppenklinik, eine 140 Pyramiden umfassende Sammlung aus Bergen im Vogtland und die Puppen von Ritschers berühmter Marionettenbühne eine neue Bleibe gefunden haben, ist der Schweizer Sammlerin Erika Pohl-Ströher zu verdanken. Sie erwarb all diese Sammlungen, ließ sie in die riesige Fabrikhalle nach Gelenau bringen, wo sie durch die Lopesa Sammlungs GmbH betreut werden.

Weil diese wiederum in Mannheim gegründet wurde, kam Heidi Schwarz mit dem Projektleiter Michael Schuster aus dem Erzgebirge in Kontakt. "Mir schwebte zwar eigentlich ein Museum mit Besuchern das ganze Jahr über vor. Aber schließlich überzeugte mich das Depot-Konzept", erzählt die Sammlerin. "Ich hatte die DVD über die großartige Weihnachtssaustellung im vergangenen Jahr gesehen und als mir hier eine würdige Präsentation innerhalb der schon vorhandenen Ausstellungsbereiche zugesichert wurde, sagte ich zu." Bekannt mit der Region ist Heidi Schwarz schon seit ihrer Hochzeit mit einem gebürtigen Vogtländer. In den 1950er Jahren verließ er mit seiner Familie die DDR. Heute leitet er als Professor Fortbildungslehrgänge für Englisch-Lehrer unter anderem in Sachsen. "Seine Cousine schickte uns immer zu Weihnachten wunderbare Dinge aus dem Erzgebirge. Christbaumständer waren allerdings nicht darunter."

Die zu sammeln, damit begann Heidi Schwarz vor zwölf Jahren. "Die ersten 40 hatte ich schnell zusammen. Ich verteilte sie im ganzen Haus, und im Advent brannte in jedem Ständer eine große Altarkerze." "Je mehr ich kaufte, umso tollere Stücke waren darunter." Bald suchte sie nicht mehr nur Flohmärkte auf, sondern stöberte jeden Tag im Internet. Inzwischen ersteigert die Rentnerin neue Exemplare fast nur noch über E-bay. "Als Frau Schwarz hierher kam, um beim Auspacken und Aufstellen ihrer 15 Kisten zu helfen, war ihre erste Frage, ob wir in der Fabrikhalle Internetanschluss haben", beschreibt Michael Schuster das Sammelfieber der Hausfrau.

Auch DDR-Produkte vertreten

Der Großteil der Ständer stammt aus den Zeit von 1880 bis Anfang der 1950er-Jahre. "Die meiste Vielfalt und den größten Herstellungsaufwand gab es in der Jugendstilzeit", erzählt Schwarz. "Die meisten wurden in Eisenhütten als Nebenprodukte oder aber von reinen Handwerksbetrieben hergestellt." Von einigen Produzenten gebe es Prägungen an der Unterseite. Viele Ständer würden aber nur eine Seriennummer tragen. "Es ist ein weitgehend unerforschtes Gebiet, auf das ich mich da begeben habe", beklagt die agile Seniorin. Ihr ältestes Exemplar, ein schwerer gusseiserner Ständer, entstand 1880 und wurde mit Goldbronze überstrichen. Aber auch Ständer aus Blech, Holz, Keramik, Sandstein, Gips, ja sogar aus Glas im Stil einer Vase sind dabei - manche bis zu zehn Kilogramm schwer. Sieben kostbare Stücke sind mit Spieluhren kombiniert. Die wiederum wurden mit Lochplatten oder mit einem klassischen Walzenspielwerk ausgestattet. Werden sie in Gang gesetzt, dreht sich der Baum, bis die Musik verklingt.

Ein kleiner Ausstellungsteil ist Weihnachtsbaumständern gewidmet, die in der DDR produziert wurden, darunter im VEB Herdguß Karl-Marx-Stadt. 4,05 Mark kam einer, ist auf der Rückseite zu lesen. Ein anderer war sogar schon für 2,25 Mark zu haben. Zu sehen ist auch ein Ständer, den eine Firma als Bastelset - mit Musterbogen, Säge, einzelnen Holzteilen und Farbe - verkaufte. Eckart Holler, Betreuer der Ströherschen Sammlungen, fasziniert vor allem, wie viel Mühe in die Gestaltung der Ständer investiert wurde. "Denn eigentlich verschwanden sie doch unter dem geschmückten Baum, waren kaum zu sehen", meint der Restaurator.

Die Weihnachtsschau im Depot Pohl-Ströher in Gelenau, Emil-Werner-Weg 96, ist ab kommenden Samstag wieder auf Zeit, und zwar bis 29. Januar 2012 geöffnet: immer Freitag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, für Gruppen auch nach Vereinbarung. Eintritt 5, ermäßigt 3,50 Euro. » Internet: www.lopesa.de Quelle: Freie Presse, Ausgabe Annaberger Zeitung, 21.11.2011