Ein Rastloser ohne Schreibtisch-Chaos

Aktuell rühren rund 60 " Botschafter des Erzgebirges " die Werbetrommel für die Region. Zu ihnen gehört auch der Rektor der TU Bergakademie Freiberg Bernd Meyer.

Von Alexander Christoph

Freiberg /Annaberg - Das Büro eines Wissenschaftlers stellt man sich völlig anders vor. Keineswegs ordentlich und funktional, ein wenig nüchtern eingerichtet. Wo sind die turmhohen Papierstapel auf dem Schreibtisch, die den Hausherrn verdecken? Wo sind die durcheinandergewirbelten Akten, bei denen es schwerfällt, den Überblick zu behalten? Wo sind die meterlangen Bücherregale, die einen mit Wissen zu erdrücken drohen? Wo ist das alles beschworene geordnete Chaos? Nicht einen Hauch dessen findet sich im Zimmer von Bernd Meyer . Nein, das Etikett "zerstreuter Wissenschaftler" trifft mit keiner Silbe auf den Rektor der TU Bergakademie Freiberg zu.

"Letztlich sind es die Köpfe, die sich mit der Gegend und mit der Kultur identifizieren müssen."

Bernd Meyer

Rektor der Bergakademie Freiberg

Ohne Umschweife kommt er auf die Gründe des Besuchs zu sprechen. Er erzählt davon, dass die Bergakademie an einem nationalen Wettbewerb teilnimmt. Er spricht über das beteiligte Forschungsprojekt und die Chancen. "Durch Spitzenleistung gilt es, Wettbewerb zu schaffen", sagt er kurz und knapp.

Bernd Meyer wirkt innerlich aufgeräumt, mit klaren Zielen vor Augen. Leise im Ton, trotzdem verbindlich in der Aussage. Das spiegelt sich auch an seinem Äußeren: Akkurater Scheitel, perfekt sitzender schwarzer Anzug, passend dazu trägt er ein anthrazitfarbenes Hemd und eine steingraue Krawatte. Vielleicht braucht es ja einen wie ihn, einen vom Typ Wissenschaftsmanager, um das Erzgebirge nach außen zu vermarkten? Nichts anderes tut Meyer. Und das nicht erst, seit ihm im Januar 2011 der Ehrentitel " Botschafter des Erzgebirges" verliehen wurde. "Das hat mich besonders gefreut, dass die Verleihung in Annaberg war." Er lehnt sich in seinem schwarzen Sessel zurück. Nach einer Dreiviertelstunde wirkt Meyer wie ein dreijähriger Junge, dem gerade das erste Mal im Leben ein Eis geschenkt worden ist. Das Gesicht strahlt. Es ist seine Geburtsstadt, die Stadt, in der der 59-Jährige seine Kindheit verbrachte. Man merkt, dass er das Erzgebirge, seine Heimat, die Landschaft und die Leute liebt. Er muss es nicht extra sagen. Es sind die Nebentöne, die nachklingen, auch nachdem das Gespräch längst vorüber ist.

Als Meyer auf die Wirtschaft zu sprechen kommt, wird das besonders deutlich: "Sind keine natürlichen Wurzel da, gelingt es nur sehr mühsam, einen Industriezweig in einer bestimmten Gegend anzusiedeln." Er betont, wie wichtig die eigenen Traditionen sind, die gemeinsame Geschichte, der sich langsam entwickelnde Geist. "Das kann kein Geld der Welt richten. Letztlich sind es die Köpfe, die sich mit der Gegend und mit der Kultur identifizieren müssen." Er verweist auf den Bergbau in Freiberg ebenso wie auf die bis dato spürbare Aura von August Horch auf den Automobilstandort Zwickau.

Bernd Meyer, verheiratet und Vater zweier Kinder, blieb der Heimat treu. Zwar begann er 1970 sein Studium der Verfahrenstechnik an der Hochschule Leuna/ Merseburg. Allerdings wechselte er bereits 1971 nach Freiberg, wo er auch 1978 promovierte. Anschließend wirkte er am Brennstoffinstitut in Freiberg. Seit 1994 hat er an der TU den Lehrstuhl für Energieverfahrenstechnik und thermische Rückstandsbehandlung inne. 2008 wurde er zum Rektor gewählt. Einen Ausrutscher im Lebenslauf gibt es aber: Nach der Wende wechselte der Professor zur Rheinbraun AG nach Köln. Dort hielt er es nur bis 1994 aus.

Über das aufgeräumte Büro lässt es sich nur spekulieren. Vielleicht ist der Rektor oft im Dienste der Universität unterwegs und kaum da. Zwei Dinge sprechen dafür. Erstens ist es schwer, einen Termin bei ihm zu bekommen. Zweitens fließen ständig Orte in die Unterhaltung ein, an denen er aufgrund seines Berufs war oder noch sein wird. Und es wirkt glaubhaft, wenn er sagt: "Ich will als Botschafter den Menschen das Erzgebirge und ganz speziell Freiberg näher bringen."

Quelle: Freie Presse, Ausgabe Stollberger Zeitung, 06.07.2011