08.07.2025
Veganes Essen ist so viel mehr als nur Salat
„Versalat!“ bedeutet auf Erzgebirgisch sowas wie „verflixt“ – im positiven wie im negativen Sinne. Es ist eines von Daniel Meiers Lieblingswörtern und somit perfekt geeignet als Namenspate für sein veganes Restaurant. Das V steht gemeinhin für „vegan“ – und damit steckt in diesem Namen die Botschaft: „Veganes Essen ist so viel mehr als nur Salat“. Die besten Termine als Autorin sind ja immer die, wo es etwas zu essen gibt. Und so freute ich mich ganz besonders auf meinen Besuch in Stollberg , wo Sarah Kouril und Daniel Meier mitten in der Innenstadt ein veganes Restaurant betreiben: Versalat.



Veganer Genuss
Vegan im Erzgebirge – geht denn das? Das war die erste Frage, die mir dazu in den Kopf schoss. „Das fragen viele“, lacht Daniel Meier, als wir bei einer leckeren hausgemachten Beerenlimo im gemütlichen Restaurant zusammensitzen. „Am Anfang haben wir die Erzgebirger auf Streetfoodmärkten mit Klitschern überzeugt. Diese typisch erzgebirgischen Kartoffelpuffer kennen die Leute, und sie haben immer wieder überrascht ausgerufen: Das schmeckt ja wie bei Oma! Dass die Klitscher mit Sojaquark gemacht sind, tut dem Genuss keinen Abbruch – eher im Gegenteil.“
Nachdem die beiden Mittdreißiger dann ihren eigenen Laden eröffnet hatten, guckten die Stollberger erstmal nur neugierig durchs Fenster. Doch als sie dann sahen, dass das Restaurant immer voll ist, trauten sich mehr und mehr Einheimische rein. Viele Gäste kommen aus den umliegenden Städten, aus Chemnitz und dem Umkreis von bis zu 50 Kilometern. „Sie entdecken uns auf Instagram und reisen dann extra hierher“, sagt Sarah, und Daniel ergänzt: „Die meisten unserer Gäste hier im Restaurant sind gar keine Veganer. Sie kommen einfach, weil es schmeckt.“
Genuss-Inszenierung und Kreativität wie Paris oder New York, mitten im Erzgebirge
Davon will ich mich natürlich selbst überzeugen. Obwohl wir an einem Tag vor Ort sind, wo das VERSALAT eigentlich geschlossen hat, wird hier fleißig geschnippelt, gebrutzelt und gekocht. Wir erleben, wie die Lieferanten aus der Region die frischen Waren bringen und wie Daniel Meier daraus ein Menü zaubert, das man in dieser Kreativität und Inszenierung auch in Paris oder New York verorten könnte.

Als Vorspeise servieren Sarah und Daniel einen fruchtigen Grünkohlsalat mit Rosinen, Granatapfelkernen und veganem Feta. Als Hauptgericht gibt es Auberginenschnitzel, dazu ein Püree aus Butternut- Kürbis mit Piment und Zimt, fein abgeschmeckt mit veganer Margarine und Mandelmilch. Die Aubergine kommt aus Deutschland, das Fleisch ist wunderbar fest. Nach 30-minütigem Backen im Ofen lässt sich die Haut ganz leicht abziehen, dann wird das Fleisch mit der Gabel plattgedrückt und in einer Panade aus knusprigen Cornflakes gewendet. Statt Ei verquirlt Daniel in einer Pfanne Sojamilch und Kichererbsenmehl mit ausgewählten Gewürzen.
Dazu gibt’s Schmortomaten aus dem Ofen, mit buntem Pfeffer garniert. Vor dem Servieren zeichnet Sarah liebevoll ein spiralförmiges Muster ins Püree. „Sarah hat das Auge für den letzten Schliff auf dem Teller“, strahlt Daniel. „Ich kümmere mich am liebsten um die Feinabstimmung der Gewürze.“ Woher sie ihre Rezeptideen bekommen? „Von Instagram und unseren Reisen“, lacht Sarah. „Und dann machen wir immer was Eigenes draus.“ „Regional, saisonal, hausgemacht und frisch lauten unsere Leitlinien“, sagt Daniel, der sich selbst als absoluten Genießer bezeichnet. „Vegan ist keinerlei Verzicht“, so seine Überzeugung. „Das Genussgefühl ist das gleiche – ohne dass ein Tier dafür leiden muss.“
Frisch vom Feld auf den Tisch
Ausgangspunkt für die Wochenmenüs ist immer das, was beim Gemüsebauern gerade wächst. Brot kommt vom Guidohof, Gemüse beziehen sie auch von dort oder von der Kartoffel- und Gemüsegärtnerei aus Gornau. Frischen Tofu liefert die Chemnitzer Tofubar, die Öle stammen aus der Ölmanufaktur vom Huttenberg, Frischprodukte wie Sojaquark und -käse werden mit dem E-Transporter vom Biogroßhandel angeliefert. Handgefertigte Schokoladen von Choco del Sol in Rochsburg, Vanillelikör aus Leipzig, Tee und Schnaps aus Eibenstock und Gewürze von Direkt vom Feld aus Chemnitz ergänzen das Sortiment. Vieles davon gibt es an der Theke auch für zu Hause zu kaufen.
Montagfrüh fragen sie den Bauern: „Was hast du diese Woche da?“ Dienstags bleibt das Restaurant geschlossen – da planen Sarah und Daniel das Menü. Mittwoch bis Freitag ist VERSALAT abends geöffnet, donnerstags gibt’s auch eine kleine, feine Auswahl an Mittagessen, und am Wochenende konzentrieren sie sich auf Caterings und musikalische Abende oder kulturelle Sonderveranstaltungen. Sonntags laden sie einmal im Monat zum Brunch. In dieser Woche kam vom Gemüsebauern aus Gornau Grünkohl, Pak Choi und Chinakohl. „Das Gemüse von hier ist völlig anders als aus dem Supermarkt. Wenn ich daraus eine asiatische Nudelsuppe koche, bleibt alles so richtig schön knackig“, schwärmt Daniel.
Nachhaltigkeit als Lebensgefühl
„Wir sind sehr authentisch in dem, was wir hier anbieten, weil wir auch selbst so leben“, sagt Sarah. Im Sommer wohnen sie auf einem kleinen Grundstück im Wald, gehen Pilze sammeln und kümmern sich um ihre Beete. Fast alles, was sie in ihrem Restaurant anbieten, ist selbstgemacht – sogar der Cashewkäse, der wirklich aufwändig herzustellen ist. Ja, das braucht Zeit – „doch wir machen immer das, worauf wir gerade Lust haben – und irgendwie ist es immer genau das, was gebraucht wird“, lacht Sarah. „Wir wirtschaften im Kreis und werfen selten was weg.“ So gibt es zum Beispiel Überraschungstüten weit unter dem eigentlichen Preis, damit nichts von dem guten Essen in der Tonne landet.
Auch die Einrichtung des Restaurants ist nachhaltig gewählt. Die Möbel sind von Kleinanzeigen, die Regale aus Weinkisten gezimmert, die Wände schmücken Bilder einer Künstlerin aus Stollberg, die gleich eine kleine Ausstellung daraus gemacht hat. Die Lampen hat Daniel aus alten Bratpfannen gebaut. Dabei kam ihm zugute, dass er gelernter Elektroniker ist. Nebenbei war er vor der Eröffnung des eigenen Restaurants mit seinem veganen Streetfood auf Weihnachtsmärkten unterwegs. Auf einem dieser Märkte lernte er Sarah kennen. Die Erzieherin war eigentlich gerade auf einem Workaway in Spanien und wollte weiterreisen, doch dann brach sie sich beim Bouldern den Fuß und musste dableiben – was für ein Glücksfall, wenn man es rückblickend betrachtet.
„Es ist richtig und wichtig, sowas hier im Erzgebirge zu machen“
Das Reisen steckt den beiden Geschäftspartnern, die auch privat ein Paar sind, nach wie vor im Blut. Vier Monate Sizilien, drei Monate Balkan – „wir brauchen diesen Raum für unsere Kreativität“, und diesen Freiraum wollen sie sich auch als Restaurantbetreiber erhalten. Kurz nach unserem Gespräch brechen sie auf zu einer zweiwöchigen Reise nach Südfrankreich und ins Baskenland. „Unsere Stammgäste verstehen das und bleiben uns natürlich trotzdem treu. Das, was wir hier machen, ist ein Lebensstil. Langsam und authentisch. Die Arbeit muss zum Leben passen, nicht umgekehrt“, sind die beiden 33-Jährigen überzeugt.
Das ist auch der Grund, warum sie ihr veganes Restaurant in Stollberg eröffnet haben und nicht in Leipzig oder Berlin. „Wir finden, es ist richtig und wichtig, sowas hier im Erzgebirge zu machen. Hier fühlen wir uns wohl, hier können wir was anschieben. Die Natur erinnert uns an Schweden, sie lädt ein zum Skifahren oder mit dem Rad durch die Wälder zu streifen.“ Zudem hat die Wirtschaftsförderung ihren Traum vom eigenen Geschäft großartig unterstützt.
Zuerst probierten sie es mit einem Pop-up- Restaurant, und als sie merkten, es kommt an, durften sie den leerstehenden Laden in der Innenstadt sechs Monate lang kaltmietfrei nutzen. „Auch unser Unternehmen ist so organisch und natürlich gewachsen wie unsere Lebensmittel“, sagt Daniel. „Ich hatte schon seit Längerem den Traum, ein eigenes Restaurant zu betreiben. Mit diesem Laden in Stollberg kam es einfach auf uns zugeflogen – und das fühlt sich rundum gut und richtig an.“
Text: Sylva Michèlè Sternkopf
Fotos: Dirk Rückschloss